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Macron trifft Merkel Nettigkeiten überlagern Differenzen

Die deutsche Kanzlerin und der französische Staatschef suchen bei ihrem Treffen Gemeinsamkeiten. Keine leichte Aufgabe.

Beim Besuch Emmanuel Macrons in Berlin am Donnerstag gab es viel zu bereden. Neben den Fragen, wie man sich zu den USA, im Fall Syrien oder im Iran verhalten solle, stand vor allem die Zukunft der Europäischen Union auf der Agenda. Der französische Staatspräsident, der auf der Suche nach Unterstützern seiner ambitionierten Reformen ist, musste ein halbes Jahr auf die Antwort Merkels warten, weil sich die Regierungsbildung so lange hinzog.

Die Deutsche Kanzlerin gab sich betont zurückhaltend. Vom Zauber, den sie beim letzten Treffen mit Macron ansprach, schien denn auch wenig vorhanden. Dabei möchten beide Staatsoberhäupter ein zukunftsträchtiges Europaprogramm präsentieren, dies im Hinblick auf das EU-Gipfeltreffen im Juni und auf die EU-Parlamentswahlen im Mai, bei denen man nicht den populistischen Kräften das Feld überlassen will.

Die hohen Ziele des jungen Präsidenten

Für Macron hat die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Integration in Europa höchste Priorität. An Vorschlägen mangelt es ihm durchaus nicht: Er will mehr Mittel für die Wirtschaftsunion bereitstellen, einen Euro-Finanzminister ernennen und eine europäische Bankenunion erreichen.

Dies würde unter anderem bedeuten, dass die EU in Finanzfragen viel autonomer entscheiden könnte und an Spielraum gewinnen würde – zulasten der nationalen Minister. Damit beabsichtigt Macron nicht zuletzt auch eine Annäherung der Mitgliedstaaten, was die Wirtschaftsleistung betrifft.

Vor allem aus dem konservativen Lager der deutschen Regierung kommt heftige Kritik. Zwar hat die Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten schon Bereitschaft signalisiert, mehr zum EU-Budget beitragen zu wollen. Vertreter von Merkels CDU äusserten sich aber sehr skeptisch zu Macrons Plänen. Sie befürchten, Deutschland könnte in Zukunft häufiger zur Kasse gebeten werden, um strukturschwache Länder zu finanzieren. Einen Euro-Finanzminister lehnen viele komplett ab. Die Kanzlerin zeigte sich dementsprechend wenig euphorisch und entgegnete dem jungen Präsidenten, dass trotz Zahlungen der Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften bleiben müsse.

Wenig Einigkeit in Migrationsfrage und Aussenpolitik

Ebenfalls von grosser Bedeutung aber hinter verschlossenen Türen besprochen wurden die Aussenpolitik und Migration. Europa hatte in der jüngeren Vergangenheit einige Probleme zu bewältigen und selten ist es gelungen, eine einheitliche europäische Haltung einzunehmen. Auch das will Macron ändern.

Beispielhaft dafür ist die Migrationskrise der vergangenen Jahre. Deutschland hat im Alleingang rund 700’000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, was der Position Merkels geschadet hat. Eine angestrebte Umverteilung scheiterte bislang.

Menschenmasse in Bewegung
Legende: Über die Balkanroute sind viele Flüchtlinge aus Syrien nach Europa gekommen. Deutschland hat vielen von ihnen Asyl gewährt. Reuters

Auch im Fall Skripal, bei dem Frankreich sofort reagiert hat, herrscht Uneinigkeit. Während die französische Regierung unverzüglich russische Diplomaten ausgewiesen und sich an den Militärschlägen beteiligt hat, zeigte sich Deutschland sehr zögerlich.

Als nächstes auf dem Terminplan steht das Atomabkommen mit Iran, das 2015 ausgehandelt wurde. Trump kritisiert den Deal scharf und möchte neuverhandeln. Sieht der US-Präsident bis zum 12. Mai keine substantiellen Verbesserungen am Abkommen, droht Trump mit neuen Sanktionen gegen Iran.

Die europäischen Staaten wollen dem Pakt hingegen unbedingt treu bleiben. Nächste Woche schon reisen Macron als auch Merkel unabhängig voneinander in die USA. Das könnte schon ein erster Prüfstein für den angestrebten europäischen Zusammenhalt sein.

Deutschlands Verliererangst

Für SRF-Korrespondent Adrian Arnold sind derzeit die stärksten Bedenken, dass Deutschland der grosse Verlierer sein könnte bei einer umfassenden Eurozonen-Reform: «Die Angst, dass Deutschland haften und bezahlen müsste für andere EU-Staaten, die ihren Haushalt nicht im Griff haben.»

Wegen der aktuellen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands sehe man im Land auch keinen wirklichen Reformwillen, sagt Arnold: «Trotz vieler Gemeinsamkeiten werden sich die beiden Staaten bei der Eurozonen-Reform auch in den nächsten Monaten nicht einig werden.»

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