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Macrons zweite Amtszeit Französische Regierung: «Wiedergeburt» mit Komplikationen

Bei den letzten Wahlen hat Macrons Partei die Mehrheit in der grossen Kammer verloren. Das Budget und die Rentenreform so durchzubringen, wird schwierig.

Das ist das Problem: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht es zu Beginn seiner zweiten Amtszeit mit einem Neustart. Seine bisherige Partei «La République en Marche» trägt seit kurzem offiziell den neuen Namen «Renaissance». Doch das mit der Wiedergeburt ist nicht so einfach: Seit den Parlamentswahlen Ende Juni hat seine Partei in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr und starke politische Opposition von ganz links und ganz rechts. Das heisst, dass jegliche Projekte der Regierung im Parlament hohe Hürden zu nehmen haben.

Das ist ein Hauptstreitpunkt: Der Budgetentwurf fürs kommende Jahr ist ein zentraler Zankapfel. «Denn mit dem Budget setzt die Regierung ihre Schwerpunkte für das nächste Jahr fest», erklärt SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll. Die Parteien positionieren sich demnach über ihre Haltung zum Budget. «Das heisst, Parteien, die einverstanden sind, werden nach französischem Verständnis zum Regierungslager gezählt. Die Opposition muss das Budget also kategorisch ablehnen.»

So gehts mit der Rentenreform weiter: Die Regierung in Paris überlegt, ihre umstrittene Rentenreform in das Budget zu integrieren. «Es wäre eine Möglichkeit, sie über das Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung abzusegnen, ohne dass sie die Vorlage später gesondert verhandeln muss», so das Kalkül dahinter. Es wäre zudem eine Möglichkeit, das Tempo zu steigern, wie Voll ausführt. «Denn Macron möchte die Rentenreform bis nächsten Sommer unter Dach und Fach bringen und könnte so auch zeigen, dass er weiterhin Reformen durchführen kann.»

Neuauflage der Rentenreform nach Pandemie

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Die Rentenreform war ein prominenter Teil von Emmanuel Macrons Wahlkampfprogramm. Er hat sie ursprünglich vor der Corona-Pandemie auf Eis gelegt, nun greift er sie wieder auf. Wie das neue System im Detail aussehen soll, ist noch unklar. Aber anscheinend will Macron den Umbau des Systems mit einer Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre kombinieren. Dies wäre allerdings eine Kampfansage an die Gewerkschaften: Für diese ist eine Erhöhung des Rentenalters eine rote Linie. Das Risiko ist also gross, dass es wieder zu Streiks und einer politischen Blockade kommt, wie bereits im Dezember 2019.

Das ist die Haltung der Opposition: Im Falle der ins Budget integrierten Rentenreform dürfte Macron auch auf die Stimmen der konservativen Républicains hoffen, denn diese wollen die Reform im Grunde auch. Sollte sich zeigen, dass es im Parlament keine Mehrheit für das Budget gibt, dann kann es die Regierung über einen Notparagrafen selbst bewilligen. «Sie muss dann allerdings mit einem Misstrauensvotum im Parlament rechnen», gibt der Korrespondent in Paris zu bedenken. Neu sei die Gesprächsbereitschaft, die die Regierung gegenüber der Opposition zeigt. «Ob sie dann wirklich auch zu Kompromissen bereit ist, das muss sie allerdings erst noch beweisen», sagt Voll.

Das erwartet ihn in der zweiten Amtszeit: Macron muss nicht um seine Wiederwahl bangen, weil er kein drittes Mal antreten darf. Das sei in dieser Situation eher ein Nachteil, schätzt Voll. «Denn seine Autorität wird auch im eigenen Lager infrage gestellt.» Vor allem seine politischen Verbündeten, der Zentrist François Bayrou und der ehemalige Premierminister Édouard Philippe treten nun selbstbewusster auf, bringen sich bereits jetzt in Position für Macrons Nachfolge 2027.

«Viele glauben allerdings, dass das aktuelle Parlament keine volle Amtszeit bestehen wird», so der Korrespondent. «Macron könnte es zum Beispiel nach einem Jahr auflösen und Neuwahlen ausrufen.» Dies mit der Begründung, dass ihn die permanente politische Blockade dazu zwinge. «Dies wäre zwar ein Risiko, aber es würde durchaus zu Macrons Persönlichkeit passen.»

Echo der Zeit, 27.09.2022, 18:00 Uhr ; 

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