Abends um sieben im Hafen von Malé, der Hauptstadt der Malediven. Angetaute Boote tanzen auf den Wellen. Der Hotelangestellte Abdul muss über sie klettern, denn das Transportschiff seines Hotels hat keinen Anlegeplatz gefunden. Es machte an einem bereits angelegten Schiff fest.
Abdul ist froh, nach etwa einer Stunde Fahrt wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Viel Zeit hat der 40-Jährige nicht, in drei Stunden startet seine Fähre wieder zurück zum Ferienresort.
Alkohol nur für Touristen
«Lass uns einen Kaffee trinken gehen», schlägt Abdul vor. Kaffee ist das Modegetränk der Malediver, denn Alkohol ist im streng muslimischen Land verboten. Andere Gesetze gelten auf den Ferieninseln. Dort gibt es für die Touristen punkto Alkohol keine Restriktionen. Dennoch stört sich der Hotelangestellte nicht daran, wenn Touristen im Land Wein oder Bier trinken.
«Wir sind glücklich, wenn die Touristen glücklich sind», sagt Abdul mit einem riesigen Lächeln. In der Tat ist der Tourismussektor der grösste Arbeitgeber auf den Malediven. 30 Prozent der Wirtschaftsleistung erarbeitet das Inselparadies mit den Feriengästen.
Beim Kaffee sagt Abdul dann doch, was ihn stört. Es seien weniger der Alkohol oder die Bikinis als vielmehr der Zugang zu den schönsten Orten auf den Malediven. Die Malediven seien ein Unterwasserparadies. «Doch viele der schönsten Riffe sind nur den Touristen zugänglich.»
Die Angestellten dürften dort nicht hin, sagt er. Diese Aussage könnte Abdul den Job kosten. Deshalb wurde sein Name hier geändert.
Strikte Regeln für Angestellte
Die Hotelarbeiter dürften generell nicht mit den Medien sprechen, weiss Maarouf Zakir, Generalsekretär der Hotelarbeitergewerkschaft der Malediven. Auch das Hotel, in dem Abdul arbeitet, hat ihm ein Interview untersagt. Er kam dennoch nach Malé – in seiner Freizeit. Doch die ist begrenzt.
Er habe nur einen Tag frei in der Woche. Das reiche nicht, um nach Hause zu fahren, denn seine Familie lebt im Süden des Inselarchipels. Da brauche er allein einen Tag für die Reise – und die sei teuer. Also bleibe er auch an seinem Freitag lieber auf dem Resort und akkumuliere seine freien Tage.
So sieht Abdul seine Familie im besten Fall zweimal pro Jahr. Das bedauere er, doch könne er nichts dagegen machen. Der Arbeitsvertrag mit seinem Resort schreibe seine Freitage so vor.
Auch die Gewerkschaft der Hotelarbeiter ist beinahe machtlos gegen diese Arbeitsbestimmungen. «In keinem der Hotelresorts ist es erlaubt zu demonstrieren», sagt Gewerkschafter Zakir. Zuwiderhandlungen würden mit der Kündigung bestraft. Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gälten nicht auf den Ferieninseln.
Nur wenige Malediver-Resorts
Erst seit 2010 ist es Maledivern selber erlaubt, unabhängige Guest Houses zu führen. Das sind oft kleine Familienbetriebe auf Inseln. Die Löhne dort seien zwar niedriger als in den Resorts, doch für Hotelarbeiter Abdul wäre ein Guest House auf seinem Atoll ganz im Süden des Landes eine gute Alternative. So könnte er näher bei seiner Familie arbeiten.
Trotz der Widrigkeiten: Abdul will sich nicht beklagen. Ihm gefalle sein Job, sagt er immer wieder – wissend, dass er ihn womöglich verlieren könnte, wenn er sich zu kritisch äussert. Mittlerweile steht er wieder am Hafen von Malé, bereit für die Rückreise zum Resort. Seine vier Stunden Freizeit sind vorbei.