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Faire Bedingungen bei der Wahl, nicht aber bei den Vorbereitungen
Aus SRF 4 News aktuell vom 24.09.2018. Bild: Keystone
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Wahlen auf den Malediven «Die Opposition hofft auf die Rückkehr der Leuchtfigur Nasheed»

Bei den Präsidentschaftswahlen auf den Malediven hat sich der Kandidat der Opposition überraschend zum Sieger erklärt. Ibrahim Mohamed Solih hat nach Auszählung fast aller Stimmen verlauten lassen, er habe einen uneinholbaren Vorsprung auf Amtsinhaber Abdulla Yameen. Korrespondent Thomas Gutersohn über den überraschenden Sieg und künftige Herausforderungen des Inselreichs.

SRF News: Mit diesem Wahlausgang hat kaum jemand gerechnet. Sind auch Sie vom Resultat überrascht?

Thomas Gutersohn: Auf jeden Fall. Es sah vor den Wahlen überhaupt nicht danach aus, als könnte die Opposition diese Wahlen gewinnen. Die Ausgangslage war einfach zu unterschiedlich. Alle namhaften Oppositionskandidaten waren hinter Gitter oder im Exil, sie konnten nicht gleichermassen Wahlkampf betreiben wie die Regierungspartei. Dass jetzt die Opposition gewonnen hat – und das hat die Wahlkommission am Montagmorgen offiziell so verkündet – ist eine grosse Überraschung. Nicht nur für mich, sondern auch für viele Malediver.

Wie ist das passiert?

Es ist nicht Solih allein, der gewonnen hat. Alle Oppositionsparteien haben sich hinter den Kandidaten gestellt. Ich denke, der ausschlaggebende Punkt war der Notstand vom letzten Februar. Damals wollten Gerichte einige Fälle gegen Oppositionskandidaten neu aufrollen. Präsident Yameen vermutete da einen Putsch und hat mit einem Notstandsgesetz einige Richter, weitere Oppositionspolitiker und auch Politiker aus seinen eigenen Reihen verhaftet, darunter auch der frühere Diktator des Landes und Halbbruder von Yameen, Maumoon Abdul Gayoom.

Mit der Verhaftung seines Halbbruders hat es sich Yameen offenbar auch in den eigenen Reihen verscherzt.

Gayoom war einer der längsten Herrscher Südasiens, hatte das Land mit eiserner Hand über 30 Jahre unter Kontrolle. Mit seiner Verhaftung letzten Februar hat es sich Yameen offenbar auch in den eigenen Reihen verscherzt. Jedenfalls hat sich Gayooms Lager mit den Oppositionsparteien verbunden und so offenbar eine Mehrheit bei den Wahlen erreicht.

Auch Amtsinhaber Abdulla Yameen regiert auf den Malediven quasi diktatorisch. Wird er denn den Sieg des Oppositionskandidaten überhaupt akzeptieren?

Das ist im Moment die grosse Frage, denn von Abdulla Yameen hat man bisher nichts gehört. Eigentlich bleibt ihm nicht viel anderes übrig, als die Wahlen zu akzeptieren. Er selbst sagte zuvor, die Wahlkommission sei die einzige glaubwürdige Instanz, um das Wahlresultat zu verkünden. Er könnte nun seinerseits von Wahlfälschung sprechen und mit einem neuen Notstandsgesetz das Ganze blockieren. Yameen ist im Moment vermutlich noch am Abklären, ob er immer noch den Rückhalt der Armee und der Sicherheitskräfte geniesst, um einen solchen Notstand tatsächlich auch umzusetzen.

Präsidentschaftskandidat Solih mit seinen Unterstützern vor den Wahlen
Legende: Er habe einen uneinholbaren Vorsprung auf Yameen, sagte Oppositionskandidat Solih nach Auszählung fast aller Stimmen. Keystone

Wenn es jetzt tatsächlich dazu kommen sollte, dass Yameen seine Niederlage akzeptiert und die Opposition an die Macht kommt: Welche Folgen hätte das für die Malediven?

Die Opposition hofft natürlich, dass jetzt die Leuchtfigur Mohammed Nasheed zurückkommt. Der heute im Exil lebende Nasheed war 2008 der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven, ein bekannter Umwelt- und Menschenrechtsaktivist. Für die Wahl vom Sonntag durfte er wegen Terror-Vorwürfen nicht antreten. Ein allfälliger Regierungswechsel würde bedeuten, dass die Opposition das Verfahren gegen Nasheed aufheben könnte. Er könnte aus dem Exil auf Sri Lanka zurückkehren und die Geschicke als Parteichef oder vielleicht sogar als Präsident des Inselreichs weiterführen.

China hat eng mit dem bisherigen Präsidenten Yameen zusammengearbeitet und war der grosse Geldgeber. Wird das Land sein finanzielles Engagement bei einem Sieg der Opposition fortführen?

Die Opposition hat dieses Engagement Chinas auf den Malediven stark kritisiert. Sie nannte es «Land Grabbing», also dass China Boden auf den Malediven stiehlt. Falls es zum Regierungswechsel kommt, werden sich diese Beziehungen vermutlich abkühlen. Dennoch: Ganz auf China verzichten werden die Malediven wohl nicht können.

Wenn es zu einem Regierungswechsel kommt, werden sich die Beziehungen zu China vermutlich abkühlen.

Ich sehe da eine Parallele zu Sri Lanka. Da hat sich die vorherige Regierung durch Infrastrukturprojekte stark verschuldet bei China. Die aktuelle Regierung versucht jetzt, sich aus dieser Schuldenfalle zu befreien. Bisher hat sie das nicht geschafft. Sie musste sogar noch mehr Kredite aufnehmen und eine grosse Hafenanlage im Süden von Sri Lanka an China ausleihen, weil die Regierung die Kredite dafür nicht zurückbezahlen konnte. China kann diesen Hafen nun selbst betreiben, und die Profite gehen nach Peking. Das könnte nun auch mit Bauten auf den Malediven passieren, zum Beispiel mit dem Flughafen von Malé, der durch chinesische Gelder ausgebaut wurde.

Peking sieht seine geostrategischen Interessen also nicht bedroht, sollte nun die Opposition ans Ruder gelangen?

Nein, nicht unbedingt. China kann sich zurücklehnen, denn die Verschuldung ist bereits jetzt enorm. Die Malediven sind bis zur Hälfte ihres Einkommens verschuldet, das zum grössten Teil in China. Und der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass dieser Schuldenberg bis in zwei Jahren noch weiter anwachsen wird. China hat seine Interessen schon weit genug auf die Malediven ausgedehnt.

China kann sich zurücklehnen, denn die Verschuldung der Malediven ist bereits jetzt enorm.

China sieht die Malediven als Teil ihrer neuen maritimen Seidenstrasse und hofft, allenfalls mit Militärstützpunkten auf dem Insel-Archipel, diese neue Handelsroute zu schützen. Wenn das China nun durch die neue Regierung verweigert wird, wird es die Schuldenschraube anziehen und die Regierung weiter unter Druck bringen. China wird auch in Zukunft seine Interessen auf den Malediven geltend machen.

Wähler stehen Schlange bei einem Wahllokal
Legende: «Die EU schickte keine Wahlbeobachter, weil für sie die Grundbedingungen für faire und freie Wahlen nicht gegeben waren». Keystone

Waren die Wahlen nun doch freier und fairer als man eigentlich erwartet hatte?

Der Wahltag verlief ruhig und geordnet, es gab keine Ausschreitungen. Am Vorabend des Wahltages wurde noch das Büro der Oppositionspartei von der Polizei gestürmt wegen Verdacht auf Wahlbetrug, doch verhaftet wurde da niemand. Der Wahltag selbst verlief unter fairen Bedingungen, doch die Vorbereitungen dazu ganz sicher nicht. Viele potenzielle Kandidaten waren ausgeschlossen. Die Europäische Union schickte keine Wahlbeobachter, weil für sie die Grundbedingungen für faire und freie Wahlen nicht gegeben waren. Insofern ist der Sieg der Oppositionspartei eine grosse Überraschung auf den Malediven.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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