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Marode Infrastruktur Britischen Gemeinden geht das Geld aus – das trifft die Armen

Geschlossene Schwimmbäder und Strassen voller Schlaglöcher: Daran müssen sich die Leute in Grossbritannien wohl gewöhnen. Gleichzeitig werden wohl die Steuern und Gebühren steigen. Und das, obwohl die soziale Lage jetzt schon prekär ist.

Wie ist die finanzielle Lage der Gemeinden und Städte in Grossbritannien? Die Hälfte der britischen Gemeinden und Städte fürchtet, innerhalb der nächsten fünf Jahre bankrott zu gehen. Bei zehn Prozent könnte das sogar schon in den nächsten 12 Monaten geschehen. Laut einem Parlamentsbericht fehlen allein für die nächsten zwei Jahre vier Milliarden Pfund in den lokalen Kassen. Da die Gemeinden und Städte kein Geld leihen dürfen, um ihre Ausgaben zu decken, bleibt ihnen bei einem Finanzloch nichts anderes übrig, als den Bankrott zu erklären.

Was passiert, wenn eine Stadt bankrott geht?

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Obwohl die lokalen Behörden im Vereinigten Königreich genau genommen nicht in Konkurs gehen können, wird der Erlass einer «Section 114 Notice» in den Medien oft als faktische Bankrotterklärung einer Gemeinde bezeichnet. Die meisten Gemeinden und Städte, die eine «Section 114 Notice» aussprechen, verabschieden dann einen neuen Haushalt. Dabei werden alle Ausgaben (etwa Infrastrukturprojekte) eingeschränkt, bis auf die gesetzlich vorgeschriebenen Dienstleistungen. Das sind hauptsächlich Sozialausgaben – beispielsweise das Kindergeld.

Wie konnte es so weit kommen? Die Inflation trägt zum Finanzloch bei. Dazu kommt, dass über die Hälfte der Gemeindefinanzen aus London kommt. Dieser Betrag wurde im vergangenen Jahrzehnt laufend gekürzt – heute liegt er zehn Prozent tiefer als 2009/2010. Das ist kein Zufall: Seither regiert die konservative Partei, die sich einen schlanken Staatshaushalt und tiefe Steuern auf die Fahne schreibt. Auch die direkten Einnahmen der Gemeinden aus Unternehmenssteuern haben gelitten. ARD-Grossbritannien-Korrespondent Christoph Prössl erklärt gegenüber SRF News: «Der britischen Wirtschaft fehlen wegen des Brexits fünf Prozent Wirtschaftswachstum, und das Land befindet sich in einer Rezession.»

Was heisst das für die Bevölkerung? In erster Linie heisst das, dass Dienstleistungen eingespart werden. «So etwa der Betrieb von öffentlichen Schwimmbädern und Bibliotheken oder der Unterhalt der Strasseninfrastruktur», so Prössl. Aber auch präventive Angebote wie Jugendzentren. Obwohl die Sozialausgaben nicht komplett gestrichen werden dürfen, leiden insbesondere die ärmeren Schichten der Bevölkerung unter den Konsequenzen. Denn vielerorts werden Gebühren erhöht – etwa fürs Parkieren. Weiter nötigt der drohende Bankrott die Behörden, die Gemeindesteuern zu erhöhen. Das System der Gemeindesteuern ist sehr regressiv gestaltet. So bezahlt laut Economist jemand mit einer 3.5-Zimmer-Wohnung in Blackpool mehr als die Bewohner des Buckingham Palace. Eine Erhöhung dieser Steuern trifft also wiederum die Ärmsten am härtesten.

Ein Schild mit der Aufschrift «Pool closed» hängt am Metallgitter vor dem Pool.
Legende: Ein Anblick, der in England zunehmen dürfte: geschlossene Schwimmbäder. Imago/Max Willcock

Was tut die Regierung? Aus London wurden Hilfszahlungen an die Gemeinden in der Höhe von 600 Millionen Dollar versprochen. «Das reicht aber bei weitem nicht», erklärt Prössl. Ob mehr Geld fliessen könne, werde sich erst nach der Finanzplanung zeigen. Aber: «Die Tories haben versprochen, dass sie die Einkommenssteuern senken wollen. Das werden sie gerade im Wahljahr einhalten wollen.» Bereits jetzt warnen Finanzinstitute laut Prössl aber, dass der Spielraum dafür nicht vorhanden sei.

Was sagt die Bevölkerung? Die Pläne der konservativen Regierung, die Steuern zu senken, sind sehr unbeliebt. «Dreiviertel der Menschen sagen laut Umfragen, dass die Steuern gerne hoch bleiben können, wenn es dafür keine Einschnitte bei den Leistungen der Gemeinden und Städte gibt», so Prössl.

Was würde ein Regierungswechsel bewirken? Höchstwahrscheinlich wird die Labour Partei siegreich aus dem Wahljahr hervorgehen. Keir Starmer – der Labour Chef – dämpft bereits jetzt die Hoffnung auf eine radikale Veränderung: «Wir müssen mit den Beschränkungen einer Wirtschaft leben, die in den letzten 14 Jahren schwer geschädigt wurde. Ich werde also keine Versprechungen machen, die ich nicht halten kann.»

SRF 4 News Aktuell, 29.02.2024, 16:00 Uhr

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