Schulbeginn in Grossbritannien - 150 britische Schulhäuser gesperrt
Nach den Sommerferien beginnen Tausende Kinder in Grossbritannien wieder mit der Schule. Aber nicht alle können zurück in ihre gewohnten Klassenzimmer, denn rund 150 Schulhäuser bröckeln. Die Eltern wurden Ende vergangener Woche informiert, dass das Schulhaus ihrer Kinder nicht mehr sicher sei.
Ende letzter Woche erhielt Schulleiterin Sarah Smith in Sussex einen Anruf vom Erziehungsministerium. Es gebe ein Problem: Teile ihrer Schule seien einsturzgefährdet und dürften nicht mehr benutzt werden. Seit diesem Anruf ist die Pädagogin auf der Suche nach Schulzimmern, Toiletten und einer Schulküche für ihre Schülerinnen und Schüler.
Auslöser für die alarmierende Hektik ist ein Zement namens «RAAC», der in den 1970er-Jahren verbaut wurde. Auf den ersten Blick erinnert seine Struktur ein bisschen an einen Schokoriegel – er besteht mehrheitlich aus Luftbläschen. Gemäss Baufachleuten galt der poröse Zement einst als billig und isolierend – 50 Jahre später jedoch als brüchig und gefährlich.
«Wir haben die Lage im Griff!»
Trotzdem versichert die britische Erziehungsministerin Gillian Keegan der verunsicherten Öffentlichkeit, man habe die Lage völlig im Griff. Die betroffenen Schulhäuser seien identifiziert – man arbeite Tag an Nacht daran, das Problem zu lösen. Die grosse Mehrheit der Schulen im Land sei nicht vom Problem betroffen und sicher.
150 betroffene Schulhäuser
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Das Problem wird Lehrkräfte und Eltern wahrscheinlich noch Jahre beschäftigen. Zwei bis drei Jahre soll es dauern, bis die rund 150 betroffenen Schulhäuser allenfalls saniert sind. Die Erziehungsministerin betonte, es handle sich um eine präventive Vorsichtsmassnahme, die man kurzfristig aufgrund einer Verschärfung von Bauvorschriften getroffen habe.
Selbst konservative Medien entlarven dies jedoch als Ausrede. Die Brüchigkeit des Nachkriegszements ist offensichtlich seit 1995 belegt. Baufachleute haben nachweislich immer wieder gewarnt, man solle das Problem angehen.
Eltern müssten sich also keine Sorgen machen, dass ihren Kindern in der Schule die Decke auf den Kopf fällt. Die zur Beruhigung gedachten Worte überzeugten jedoch viele Britinnen und Briten nur bedingt. Dies besonders, weil mittlerweile bekannt ist, dass einst nicht nur Schulen mit dem altersbrüchigen Zement gebaut wurden, sondern ebenso Spitäler, Gefängnisse, Kasernen und andere öffentliche Gebäude.
Heftige Kritik der Opposition
Eltern und Kinder zwei Tage vor Schulbeginn darüber zu informieren, dass ein normaler Schulbetrieb nicht möglich ist, sei eine Zumutung, sagte der prominente Labour-Abgeordnete Steve Reed gegenüber der BBC: «Das ist ein klares Versagen der Regierung, denn das Problem mit diesem Zement ist längst bekannt. 2018 ist in einer Schule in Kent ein Dach eingestürzt.»
Es habe auch seit einigen Jahren genügend Berichte darüber gegeben
,
dass die Bausubstanz in vielen öffentlichen Gebäuden desolat ist. Der «Zement-Skandal» sei ein weiteres Indiz für das Versagen der konservativen Regierung, welche nach 13 Jahren an der Macht die öffentlichen Infrastrukturen «an den Rand des Kollapses» gebracht habe, so Reed weiter.
Es bröckelt überall in Grossbritannien
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Egal ob Schlaglöcher auf den Strassen, marode Schienennetze oder Wasserwerke, welche bei starkem Regen regelmässig Fäkalien in die Flüsse schwemmen: Es bröckelt überall, weil die öffentlichen Infrastrukturen seit Jahren vernachlässigt werden. Dies ist das Resultat einer rigorosen Privatisierung unter Margaret Thatcher in den 1980er-Jahren und auch die Folge einer Sparpolitik – insbesondere der konservativen Regierung.
Die Vernachlässigung ist zum Teil aber auch dem politischen System geschuldet: dem Oppositionssystem. Wer die Wahlen gewinnt, ist für fünf bis höchstens zehn Jahre an der Macht. Das ist der Zeithorizont, in dem britische Regierungen handeln. Schulhäuser sanieren dauert weitaus länger als fünf Jahre und ist insbesondere auch nicht mit grossem politischen Prestige verbunden – es wird auch deshalb auf die lange Bank geschoben.
Die irritierende Tatsache, dass ein Teil der öffentlichen Gebäude offenbar zu jedem Zeitpunkt ohne Vorwarnung einstürzen kann, ist tatsächlich nicht allein einem spröden Zement aus den 1970er-Jahren geschuldet, sondern zeigt nach Jahren des Sparens exemplarisch, wie brüchig die öffentlichen Infrastrukturen im Vereinigten Königreich mittlerweile sind.
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