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Marode Infrastruktur Ohne Heizung bei -30 Grad – in Russland kein Einzelfall

Im russischen Angarsk, einer Stadt im Süden von Sibirien, ist wegen technischer Probleme ein Heizkraftwerk ausgefallen. Während Tagen waren rund 170'000 Menschen ohne Heizung. Die Hintergründe kennt SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Wie ist die aktuelle Situation in Angarsk?

Offenbar ist das Problem seit einigen Stunden behoben. Seit Sonntag hatten, wegen eines Unfalls bei einem Heizkraftwerk, die Heizungen in mehr als 1500 Wohnhäusern nicht mehr funktioniert. Deshalb war sogar der Notstand ausgerufen worden. Jetzt aber steigen die Temperaturen in den Häusern wieder, wie lokale Medien berichten.

Wie verbreitet sind solche Pannen in Russland?

Angarsk ist keineswegs ein Einzelfall – er hat bloss ein wenig mehr Aufmerksamkeit erhalten als andere Fälle. In der vergangenen Woche ist es in bis zu 40 Regionen in Russland zu Ausfällen gekommen, nicht nur bei den Heizsystemen, sondern auch bei der Wasserzufuhr oder beim Strom. Das passiert jedes Jahr im russischen Winter, vor allem, weil das kalte Wetter die meist marode Versorgungsinfrastruktur zusätzlich belastet.

Warum ist die Infrastruktur in einem so schlechten Zustand?

Sie stammt meist aus der Sowjetzeit, das heisst, die Rohre und Leitungen sind mehr als 35 Jahre alt. Eine Ausnahme bilden nur die grossen Städte Moskau und Sankt Petersburg. Beinahe alle Regionen ausserhalb der wohlhabenden Städte in Russland sind chronisch unterfinanziert, die lokalen Behörden haben kein Geld, um die Infrastruktur zu modernisieren. Hinzu kommt die grassierende Korruption. Und dabei ist Russland eigentlich ein reiches Land – aber eines mit viel Armut. Und dass das Geld nicht besser verteilt wird, hat damit zu tun, dass die Entscheidungsträger andere Prioritäten haben.

Inwiefern hat sich die Versorgungslage durch den Krieg verschärft?

Das Problem ist ja ein langfristiges, und es hat mehr mit der alten Infrastruktur als mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Doch der Krieg wird sich auf die Zukunft auswirken. Einerseits ist deswegen im Staatsbudget kaum Geld für die Modernisierung der Infrastruktur vorgesehen. Und die Regionalbehörden sind klamm, auch weil wegen des Krieges die Volkswirtschaft stagniert und weniger Steuergelder hereinkommen. Die Folgen für lokale Behörden sind teilweise heftig: So haben Banken die Konten von mehr als 80 Schulen und Kindergärten in der Stadt Orjol gesperrt. Ihre Rechnungen sind überfällig, weil sie aus dem städtischen Budget nicht genug Geld erhalten haben. Und wenn das Geld nicht einmal für die Schulen reicht, dann erst recht nicht für die Sanierung von maroden Heizungsnetzen.

Schadet das dem Ansehen Wladimir Putins nicht?

Die meisten Leute bringen diese Probleme nicht mit der allgemeinen Landespolitik in Verbindung. Die Lokalbehörden ernten jeweils den Grossteil der Kritik und dienen Putin als Blitzableiter. Man denkt nicht so weit, dass es etwa sein Entscheid war, den Krieg anzufangen, dass jetzt alles Geld dafür ausgegeben wird und dass man deswegen auch im kommenden Winter möglicherweise frieren muss. Das hat einerseits mit der Entfremdung der Bevölkerung von der Politik generell zu tun, die der Kreml bewusst vorangetrieben hat. Zudem konzentrieren sich viele Leute in diesen armen Regionen darauf, über die Runden zu kommen, mit der Inflation mitzuhalten und je nachdem nicht allzu sehr zu frieren in der ungeheizten Wohnung. Sie haben schlicht grössere Probleme, als Zusammenhänge zwischen ihrer Situation und der Politik von Putin herzustellen – auch wenn diese Zusammenhänge durchaus real sind.

SRF 4 News aktuell, 11.12.2025, 16:50 Uhr ; 

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