Zahlreiche russische Regionen kürzen die Boni, die einem Freiwilligen bezahlt werden, wenn er sich für den Kriegsdienst verpflichtet. Antworten zu den Hintergründen hat SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie.
Wie stark werden die Boni gekürzt?
In der Region Samara, an der Wolga, werden die Boni beispielsweise um fast 90 Prozent gekürzt – von umgerechnet 36'000 auf noch 4000 Franken. In mindestens sieben weiteren Regionen werden die Boni ebenfalls gekürzt, um teils mehr als 80 Prozent. Oft betragen sie künftig noch umgerechnet rund 4000 Franken. Dies ist derselbe Betrag, den angeworbene Soldaten als Bonus zusätzlich vom Zentralstaat in Moskau erhalten.
Warum gibt es überhaupt einen Bonus bei der Anwerbung?
Die Bonuszahlungen machen den Armeedienst für viele Männer in Russland überhaupt erst attraktiv. Aber sie sind für die Regionen zu einem grossen zusätzlichen Kostenpunkt geworden. Der Kreml wälzt ganz allgemein viele Kriegskosten auf die Regionalbehörden ab – etwa auch kriegsbezogene Sozialleistungen. Inzwischen übersteigen in manchen Regionen diese Kriegsausgaben die Gesamtausgaben für das regionale Gesundheitswesen. Einige Regionen bezahlen zudem einen Vermittlungsbonus für Leute, die andere zum Armeedienst bewegen. Für diese «Finderlöhne» haben einige Regionen ihre Notfallreserven angezapft, die etwa für Naturkatastrophen vorgesehen wären.
Warum ziehen die Regionen jetzt die Notbremse?
Die Regionalbehörden sind inzwischen vielerorts in einer schwierigen finanziellen Lage. Grund ist, dass die zivile Wirtschaft ins Stocken gerät. Privatunternehmen und KMUs, die nicht in der Rüstungsindustrie tätig sind, haben mit hoher Inflation und sehr hohen Zinsen für Kredite zu kämpfen. Zudem müssen sie hohe Löhne bezahlen, um angesichts der hohen Löhne im Militär überhaupt noch Arbeitskräfte anwerben zu können. Als Folge davon sinken die Steuereinnahmen der Regionen. Russische Ökonomen warnen inzwischen sogar vor einer Konkurswelle im Privatsektor.
Was tut der Kreml, um die Regionen finanziell zu entlasten?
Er erlässt ihnen etwa Schulden, die sie beim Zentralstaat in Moskau gemacht haben. Aber das ist nur eine kleine und kurzfristige Abhilfe. Viele Regionen müssen deshalb die Steuern erhöhen – oder sparen. Unter Druck kommen etwa Ausgaben für Strassen, Schulgebäude oder Energie-Infrastruktur. Nicht angetastet werden dagegen die absolut essenziellen Budgets für Gesundheit und Soziales. Denn das würde die Bevölkerung unmittelbar treffen. Der Kreml könnte wohl mehr tun, um die Löcher in den Regionen zu stopfen, aber er priorisiert die Ausgaben für den Krieg.
Welche Alternativen gibt es für die Rekrutierung ausser den hohen Boni?
Darauf hat wohl auch der Kreml noch keine Antwort. Dass Russland bisher stetig so viele Soldaten rekrutieren konnte, ist wohl vor allem den Anwerbungsboni zu verdanken. Es sind für russische Verhältnisse riesige Summen. Vor allem in ärmeren Regionen sind viele Männer dafür bereit, ihr Leben zu riskieren. Aber wie so vieles an der russischen Kriegswirtschaft ist die Boni-Strategie nicht nachhaltig: Die Regionen sind am Anschlag und deswegen experimentiert man mit der Boni-Reduktion im Bereich der Armee, der dem Kreml so wichtig ist. Andererseits: Eine neue Mobilmachung will der Kreml möglichst vermeiden, weil die letzte im Herbst 2022 so unpopulär war. Eine Alternative wäre natürlich eine Reduktion oder sogar ein Ende des Krieges gegen die Ukraine. Aber das scheint für den Kreml derzeit nicht infrage zu kommen.