Von UNO-Reformen ist seit Jahrzehnten die Rede. Doch ein Sparprogramm, wie es nun eine von Generalsekretär António Guterres eingesetzte Arbeitsgruppe vorlegt, gab es noch nie. Allerdings war die Lage für die Vereinten Nationen auch noch nie so ernst. Die USA drohen der UNO mit einem massiven Mittelentzug. Fredy Gsteiger ordnet ein.
Wie gross ist das Finanzloch?
Das laufende Jahresbudget von 3.7 Milliarden Dollar muss um 600 Millionen zusammengestrichen werden. Sonst dürfte der UNO schon in wenigen Monaten das Geld ausgehen. Deshalb berät nun der Finanzausschuss über rasch wirksame Einsparungen.
Wie reagiert die UNO-Führung?
Weil die Lage so dramatisch ist wie noch nie in der Geschichte der UNO, zieht Guterres jetzt die Reissleine. Er hat das Reformprojekt «UNO 80» lanciert – angelehnt an den achtzigsten Geburtstag der Organisationen. Eine vierzehnköpfige hochrangige Arbeitsgruppe skizziert einen Sparplan. Er ist an die Medien durchgesickert und wird nun den Mitgliedsländern präsentiert.
Wie soll konkret gespart werden?
Die Vorschläge enthalten bisher Undenkbares: So soll die UNO mit ihren Dutzenden von Unter- und Sonderorganisationen auf vier Bereiche zurechtgestutzt werden: 1. Frieden und Sicherheit, 2. Humanitäres, 3. nachhaltige Entwicklung, 4. Menschenrechte. Traditionsreiche Organisationen sollen verschmelzen. Ein Beispiel: Aus der Weltgesundheitsorganisation, dem Welternährungsprogramm, der Organisation für Nothilfe, dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dem Kinderhilfswerk Unicef und dem Palästinenserhilfswerk Unrwa entstünde eine einzige Einheit für Humanitäres. Zudem sollen tausende von Arbeitsplätzen verschwinden. Und tausende aus dem teuren New York oder Genf in billigere Städte verlegt werden.
Ist es vertretbar, dass die UNO spart?
Grundsätzlich ja. Aber das Ausmass der Sparmassnahmen ist enorm und die Art und Weise des Vorgehens umstritten. In Genf protestierten am 1. Mai die UNO-Angestellten dagegen. Sie fragten auf ihrer Kundgebung, was denn billigere Standorte wären? Denn der UNO-Sitz Wien ist kaum günstiger, jener Nairobi wegen hoher Sicherheits- und Infrastrukturkosten ebenso wenig. Und kurzfristig verursachen Umzüge hohe Kosten, verschärfen also die akute Liquiditätskrise. Ausserdem trägt es enorm zur Vernetzung bei, wenn viele UNO-Organisationen in Genf oder New York sind und nicht verzettelt rund um die Welt.
Was spricht für die vorgeschlagenen Reformen?
Tatsächlich können sie eine Chance sein. Es gibt in einer derart grossen Organisation viele Doppelspurigkeiten. Manche Strukturen sind überholt. Etliche Probleme sind längst erkannt, wurden aber nie behoben. Zu gering war der Sparzwang, zu gross der politische Widerstand. Doch Hals- über Kopfreformen sind kein Rezept gegen langfristige Mängel. Sie demotivieren eher das Personal. Und schwächen die UNO, die in einer Welt, in der Macht wieder mehr gilt als Recht, ohnehin unter Bedeutungsverlust leidet.
Werden die Vorschläge umgesetzt?
Die aktuelle Krise der UNO ist grösser und dringlicher als alle bisherigen. Erste Entscheidungen sollen im Mai vorliegen, weitere bis Juli. Da fehlt die Zeit für Sorgfalt und Umsicht. Für manche Reformschritte braucht es aber auch eine Zweidrittelmehrheit in der UNO-Generalversammlung. Und da ist Widerstand programmiert. Gleichzeitig kann man das Problem auch nicht einfach aussitzen, sonst kann die UNO in kurzer Zeit nicht mal mehr die Löhne bezahlen und wird handlungsunfähig.