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Meerestemperatur erreicht im April neue Rekordwerte
Aus Echo der Zeit vom 27.04.2023. Bild: Keystone/ARIEL SCHALIT
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Meere so warm wie noch nie «Wir erwarten eine noch stärkere Erwärmung der Ozeane»

Die Meeresoberflächen weltweit sind derzeit deutlich wärmer als im langjährigen Durchschnitt. Anfang April erreichte die Durchschnittstemperatur den Rekord von 21.1 Grad, wie die Universität von Maine berechnete. Seither ist die Temperatur nicht mehr unter 21 Grad gesunken, was dem bisherigen Rekord aus dem Jahr 2016 entspricht. Die Folgen könnten schwerwiegend sein, sagt Thomas Frölicher von der Universität Bern.

Thomas Frölicher

Thomas Frölicher

Ozeanograf

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Der Klimaforscher und Ozeanograf Thomas Frölicher ist Assistenzprofessor an der Universität Bern und Experte auf dem Gebiet der Meereserwärmung.

SRF News: Was führt zu den aktuellen Rekordwerten?

Thomas Frölicher: Der wichtigste Faktor ist die menschengemachte Klimaerwärmung. Dadurch steigt die Temperatur im Ozean immer mehr an – und jetzt messen wir eine neue Rekordtemperatur. Etwas überraschend ist, dass die Oberflächentemperatur nach dem Peak Ende März nicht wieder etwas abgenommen hat, wie wir das erwarten würden.

Die La-Niña-Phase ist zu Ende – jetzt geht es in eine El-Niño-Phase rein.

Warum sinkt die Temperatur nicht wieder etwas ab?

Das können wir noch nicht genau sagen. Sicher ist: Die letzten drei Jahre waren durch La Niña geprägt, was den Anstieg der globalen Mitteltemperatur an der Meeresoberfläche eher gedämpft hat – trotz des weiterhin zunehmenden Ausstosses an Treibhausgasen.

Chart mit den Temperaturkufen des Ozeans.
Legende: Auf der 0-Linie liegt das weltweite Temperaturmittel des Ozeanoberflächenwassers der Jahre 1982-2011. Im Jahr 2016 war die Temperatur Ende März bislang am höchsten, doch in diesem Jahr ist sie noch höher. University of Maine

Die La-Niña-Phase ist jetzt zu Ende und es geht in eine El-Niño-Phase rein. Dadurch erwarten wir eine stärkere Zunahme der Temperatur des Oberflächenwassers der Weltmeere.

El Niño und La Niña

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Legende: Eine der Folgen wärmerer Ozeane ist das Ausbleichen und absterben von Korallen. Reuters

Bei der Wetteranomalie El Niño, die alle paar Jahre im äquatorialen Pazifik auftritt, flauen die westwärts wehenden Passatwinde ab, das Meerwasser an der Oberfläche an der südamerikanischen Küste erwärmt sich, weil aus der Tiefe kein kaltes Wasser mehr «nachgesogen» wird. El Niño hat regionale, aber auch weltweite Auswirkungen auf das Wetter: An der süd- bis mittelamerikanischen Westküste kommt es zu intensiven bis katastrophalen Niederschlägen, während östlichere Teile des Kontinents ebenso wie Australien und Indonesien tendenziell unter Dürren leiden. Weltweit gelten El-Niño-Jahre als eher warme Jahre.

Das Gegenteil davon ist die Wetteranomalie La Niña: Dabei verstärken sich die von Ost nach West wehenden Passatwinde am äquatorialen Pazifik, was dort zu kälteren Oberflächentemperaturen führt. Die Folgen sind vermehrte Tiefdruckgebiete oder gar Taifune, die Ostasien treffen, auch Australien oder Neuseeland können von heftigen Niederschlagsereignissen heimgesucht werden. Nordamerika wird tendenziell von mehr Hurrikans heimgesucht. Ostafrika dagegen leidet meist unter verheerenden Dürren. La Niña hat weltweit eher eine temperaturdämpfende Wirkung.

Seit 2020 herrschte nun La Niña – trotzdem geht das Jahr 2022 als weltweit fünftwärmstes je gemessenes Jahr in die Geschichte ein. Und jetzt scheine es ohne Pause gleich mit dem El Niño weiterzugehen, vermuten Klimaexperten. Mit all den zu erwartenden Folgen.

Welche Folgen haben die höheren Temperaturen der Ozeane?

Mit der Erwärmung der Ozeane steigt auch der Meeresspiegel, weil sich das Wasser mit der zunehmenden Temperatur ausdehnt.

Wärmeres Meerwasser könnte das Abschmelzen des Eises an den Polen beschleunigen.

Wärmeres Meerwasser könnte auch das Abschmelzen des Eises an den Polen beschleunigen. Ausserdem spielt die Temperatur eine wichtige Rolle in der Biologie und Ökologie von Meeresorganismen. Entsprechend gross können die Auswirkungen von höheren Wassertemperaturen auf maritime Ökosysteme sein.

Was heisst das konkret?

Es kann zu Korallenbleichen kommen – wie 2016, als die Temperatur im tropischen Pazifik extrem hoch war. Es kann auch zu einem Verlust von Seegräsern oder Kelpwäldern kommen. Maritime Hitzewellen können sogar zum Aussterben gewisser Seevögel oder Organismen führen.

Ist die aktuell hohe Meerestemperatur ein Hinweis, dass möglicherweise ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht ist?

Nein, es gibt keine Anzeichen, dass ein gewisser Kipppunkt überschritten wird. Aber je wärmer es wird, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit, dass solche Kipppunkte erreicht werden.

Weltkarte mit den Temperaturabweichungen.
Legende: Je röter die Farbe, desto höher liegt die aktuelle Meerestemperatur (23. April 2023) über dem langjährigen Mittel. Blau bedeutet kühler als das langjährige Mittel. Die starke Erwärmung im nördlichen Teil der südamerikanischen Westküste deutet auf den sich anbahnenden El Niño hin. climatereanalyzer.org

Welchen Einfluss haben höhere Meerestemperaturen für das Leben an Land?

Der Ozean bedeckt 70 Prozent der Erdoberfläche. Wenn er also warm ist, wird auch die Atmosphärentemperatur wärmer. Damit sind die Chancen relativ hoch, dass es dieses Jahr zu einem neuen Temperatur-Rekordjahr kommt.

Die Chancen sind relativ hoch, dass es dieses Jahr zu einem neuen Temperatur-Rekordjahr kommt.

Das wiederum kann zu Hitzewellen, Trockenheit und all den anderen Dingen führen, die wir in den letzten Jahren bereits erlebt haben.

Sind auch heftigere Stürme und Zyklone möglich?

Auf jeden Fall. Je höher die Temperaturen, desto mehr Energie ist im System, es verdunstet mehr Wasser, was zu starken Stürmen führen kann.

Wasser erwärmt sich langsamer als Luft oder Land, reagiert also träger auf Erwärmung. Was bedeutet das für die aktuelle Situation?

Eine Anomalie in der Ozean-Temperatur hält länger an, als dies in der Atmosphäre der Fall ist. Man kann also davon ausgehen, dass die Meeresoberflächen-Temperatur noch längere Zeit extrem hoch bleibt und nicht so schnell wieder zurückgeht.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 27.4.2023, 18:00 Uhr;

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