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Merz, Röttgen, Laschet Wer wird der neue deutsche Kanzler?

«Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein»: Diese anonyme Anzeige sorgte 2002 für Aufsehen – denn niemand wusste, wer die Anzeige aufgegeben hatte und ob sie allenfalls durch schwarze Kassen finanziert worden war. Aber wer gemeint war, wussten alle: Gerhard Schröder, der Mann aus Niedersachsen.

Heute könnte die CDU ein ähnliches Inserat schalten: Der nächste Kanzler muss aus NRW – aus Nordrhein-Westfalen – kommen. Und sie läge richtig, denn alle drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz stammen aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands: Friedrich Merz, Norbert Röttgen sowie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Und der CDU-Parteivorsitzende ist in der Regel auch Kanzlerkandidat der Union.

Wäre da nicht der populäre bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der Schwesterpartei CSU, allerdings der kleinen Schwester, muss man betonen. Denn im Bundestag, der ja den Kanzler letztlich wählt, stellt die CSU in der gemeinsamen Fraktion der Unionsparteien nicht einmal ein Viertel der Mandate. Und weil der nächste Kanzler aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Union kommen wird, die in den Umfragen klar führt, gibt es für die CDU eigentlich keinen Grund, die Kanzlerkandidatur an die kleinere CSU abzutreten.

Unmut in der Bevölkerung

Aber die Lage ist komplizierter. Die Stärke der CDU ist vor allem Angela Merkel zu verdanken, die aber im Herbst abtreten wird. Die guten Umfragewerte der CDU beruhen auch auf dem Umstand, dass Krisen immer gute Zeiten für die Exekutive sind. Aber nur, wenn sie die Krise erfolgreich managt. Doch der schleppende Impfstart sorgt für grossen Unmut. Und der populärste Unionspolitiker ist der CSU-Mann Söder.

Friedrich Merz ist zwar der Liebling der Parteibasis, aber die Parteitagsdelegierten, oft auch Bundestagsabgeordnete, fürchten, dass Merz die politische Mitte, die Merkel-Wähler vergraulen wird. Deswegen könnten sie gegen ihn stimmen, denn es geht bei der Bundestagswahl ja auch um ihren Job im Parlament.

Gerade weil Norbert Röttgen signalisiert hat, dass er zwar Parteivorsitzender werden möchte, aber auf die Kanzlerkandidatur verzichten könnte, liegt er in Umfragen auf Platz zwei. Die besten Karten hätte eigentlich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der das ganze Gewicht seines Amtes in die Waagschale werfen kann und ständig in der Öffentlichkeit präsent ist. Aber er liegt abgeschlagen auf dem dritten Platz. Das liegt weniger an seiner Politik als an seinem Auftreten, das oft unentschlossen wirkt.

Würfel noch nicht gefallen

Am Freitagabend treten die drei Kandidaten virtuell auf. In einer Woche wird gewählt. Im Moment sieht es so aus: Die CDU scheint im CSU-Chef Söder den Mann zu sehen, der ihr bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen bringen kann.

Das heisst für den CDU-Parteivorsitz: Es gewinnt der Mann, der auf die Kanzlerkandidatur verzichtet. Merz fällt bei dieser Rechnung raus; er will Kanzler werden. Röttgen wäre möglich oder Laschet, wenn er auf die Kanzlerkandidatur verzichtet. Und im Hintergrund lauert noch Gesundheitsminister Jens Spahn, natürlich auch aus NRW.

Peter Voegeli

Italien-Korrespondent

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Peter Voegeli ist seit Januar 2022 Italien-Korrespondent von Radio SRF. Von Rom aus hat er auch den Vatikan, Griechenland und Malta im Blick. Zwischen 2005 und 2011 berichtete er als USA-Korrespondent aus Washington DC. Danach war er während dreieinhalb Jahren Moderator von «Echo der Zeit» und von 2015 bis 2021 Deutschland-Korrespondent in Berlin. Von 1995 bis 2005 arbeitete der Historiker als Korrespondent für Schweizer Printmedien in Bonn und Berlin.

SRF 4 News, 8.1.2020, 16.50 Uhr

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