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Migranten in Tunesien Geflüchtete harren in den Olivenhainen Tunesiens aus

Vor zwei Jahren hat die EU ein Abkommen mit Tunesien unterschrieben. Seither hat sich die Lage für Migranten massiv verschlechtert.

In den Olivenhainen Tunesiens harren Tausende von Migrantinnen und Migranten aus. Sie leben dort in illegalen Zeltdörfern. Immer wieder werden diese Camps von der tunesischen Nationalgarde geräumt, Zelte verbrannt und die Menschen dort vertrieben.

Sie kommen oft, um die Afrikaner, wie sie uns nennen, zu überfallen.
Autor: Carole Geflüchtete in Tunesien

Auch Carole und ihre neunjährige Tochter leben in einem dieser Camps. Sie fürchte sich vor Überfällen, sagt Carole: «Sie wissen, dass wir schutzlos sind. Sie kommen oft, um die Afrikaner, wie sie uns nennen, zu überfallen.»

5000 Kilometer weit sind die beiden von der Elfenbeinküste nach Tunesien geflohen. Carole möchte nach Europa, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch seit Monaten stecken sie in den Olivenhainen Tunesiens fest.

Wir haben Bilder und Zeugenaussagen von Migranten, die von Dutzenden Toten an den Grenzen berichten, von Verdurstenden oder von allen Formen der Gewalt.
Autor: Romdhane Ben Amor Tunesisches Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte FTDES

Zurück in ihr Herkunftsland wolle sie nicht, sagt Carole. Sie habe Angst, von den tunesischen Sicherheitsbeamten in der Wüste ausgesetzt zu werden – ohne Schuhe, Essen, Trinken und ohne Handy. 2023 sorgte das Bild einer Mutter mit ihrer sechsjährigen Tochter weltweit für Entsetzen. Die beiden wurden an der Grenze zwischen Tunesien und Libyen ausgesetzt und sind verdurstet.

Vor allem an den Grenzen sei die Situation katastrophal, sagt Romdhane Ben Amor vom Tunesischen Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte FTDES: «Die Behörden bestreiten jede Form von Vertreibung und Ausschaffung in die Wüste. Aber wir haben Bilder und Zeugenaussagen von Migranten, die von Dutzenden Toten an den Grenzen berichten, von Verdurstenden oder von allen Formen der Gewalt.»

Die Organisation FTDES setzt sich für die Rechte von Migranten in Tunesien ein. Ihre Arbeit gerate zunehmend unter Druck und werde kriminalisiert, sagt Ben Amor. Auch würden sie regelmässig bedroht. Gerne hätte SRF mit der tunesischen Nationalgarde gesprochen, doch auf eine Interviewanfrage haben wir bis heute keine Antwort erhalten.

Tunesien ist zunehmend autoritär

Unter dem zunehmend autoritär regierenden tunesischen Präsidenten Kais Saied kam es zu einer massiven Verschärfung der Asylpolitik Tunesiens. Präsident Saied hetzt vor allem gegen dunkelhäutige Migranten, und seit zwei Jahren verbreitet er die Theorie eines organisierten Bevölkerungsaustauschs: «Wir werden es nicht zulassen, dass die demografische Zusammensetzung unseres Landes verändert wird.»

In der Folge kam es vermehrt zu Übergriffen auf Migranten. Saied habe viele Einschränkungen ihnen gegenüber eingeführt, sagt Romdhane Ben Amor. Es sei gefährlich für Migranten, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Man riskiere, verhaftet zu werden, komme in Gefängnis oder werde in der Wüste ausgesetzt.

Migrationsdeal mit der EU

Trotzdem hat die Europäische Union 2023 einen Migrationsdeal mit Tunesien unterschrieben. Rund 100 Millionen Euro gab es unter anderem für Grenzkontrollen und Abschiebungen. Zwei Jahre später zieht Brüssel eine positive Bilanz. Laut der EU-Kommission sind im vergangenen Jahr rund 80 Prozent weniger Menschen aus Tunesien in die EU gelangt als im Jahr zuvor. Doch der Rückgang hat auch eine Kehrseite: Es kommt regelmässig zu Menschenrechtsverletzungen.

SRF-Korrespondent: «Aus EU-Sicht ist Tunesien-Deal ein Erfolg»

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Andreas Reich, SRF-Korrespondent, Brüssel, sagt: «Aus EU-Sicht ist der Tunesien-Deal ein Erfolg. Wie das Land die Menschen an der Fahrt übers Mittelmeer hindert? Da schaut man in Brüssel nicht so genau hin. Die Einhaltung der Menschenrechte wird zwar regelmässig angemahnt – doch es bleibt bei der Rhetorik. Denn wirksame Überprüfungs- oder Sanktionsmechanismen gibt es nicht. Tiefe Asylzahlen, das ist das Hauptziel der EU-Migrationspolitik. Alles andere ist zweitrangig.»

10vor10, 14.10.2025, 21:50 Uhr;liea ; 

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