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Migration übers Mittelmeer Auch Meloni bekommt das Flüchtlingsproblem nicht in den Griff

Verkehrte Welt: Vor einem Jahr noch hatte Giorgia Meloni die damalige Regierung unter Mario Draghi kritisiert, sie sei mit der Migrationsproblematik heillos überfordert. Heute sind die Rollen vertauscht. Meloni ist nicht mehr Oppositionspolitikerin, sondern Ministerpräsidentin und wird nun von der Opposition, der Partito Democratico, fast wortgleich kritisiert.

Was erstens zeigt, wie ratlos die italienische Politik ist – vor und mit Meloni. Und zweitens, dass Migrationspolitik in Italien noch immer vor allem Symbolpolitik ist, um die eigene Wählerschaft an sich zu binden.

Wahr ist aber auch: Italien kann das Problem nicht alleine lösen. Es hat nicht das wirtschaftliche Gewicht, um Länder wie Tunesien unter Druck zu setzen, den Migrationsstrom einzudämmen. Rom hat auch nicht den politischen Willen, eine so harte Migrationspolitik wie Australien durchzuziehen, was sie nach EU-Recht ohnehin nicht darf.

Tunesien als Verbündeten

Wo also ist die EU? Brüssel hat im Juli mit Tunesien eine Absichtserklärung vereinbart. Bis zu 900 Millionen Euro soll das wirtschaftlich angeschlagene Land an Darlehen erhalten. 100 Millionen Euro für Such-, Rettungs- und Rückführungsaktionen von Migrantinnen und Migranten, die von Tunesien aus nach Europa weiterziehen.

Tunis soll also den dreckigen Job für die EU machen – und die Migrationspolitik Tunesiens ist ziemlich schmutzig. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Flüchtende buchstäblich in die Wüste in den sicheren Tod geschickt werden. Europa macht sich auch von Tunesien als Gatekeeper abhängig, so wie nach der Migrationskrise 2015/2016 von der Türkei. Um politischen Druck aufzubauen, öffnet Tunis die Grenzen. Nicht anders kann man die grosse Zahl von Bootsflüchtlingen aus Tunesien interpretieren, die in diesem Sommer Italiens Küsten erreichen.

Frontex mit Millionenbudget

Und wo ist Frontex? Die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache hat dieses Jahr ein Budget von 845 Millionen Euro. 2005 waren es noch sechs Millionen gewesen. Die Migrationsproblematik ist enorm. Millionen junger Menschen aus den afrikanischen Ländern wollen ihre Heimat verlassen, um in Europa Arbeit zu finden.

Lösungsansätze sind bekannt, eine robuste Verfolgung der Schlepper, eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit, eine Einwanderungspolitik. Denn insbesondere Italien leidet an Fachkräftemangel. Aber die Umsetzung ist zugegebenermassen schwierig, vor allem, wenn man Symbolpolitik betreibt.

Echo der Zeit, 19.08.2023, 18:00 Uhr

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