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Militäroffensive in Nordsyrien Was Pence und Pompeo in Ankara erreichen wollen

  • US-Vizepräsident Mike Pence und Aussenminister Mike Pompeo kommen am Donnerstag in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen.
  • Bereits am Mittwoch drohte die US-Regierung der Türkei neue Sanktionen an, sollte diese ihre Militäroffensive in Nordsyrien nicht stoppen.
  • Derweil gibt ein eigenwilliger Brief des US-Präsidenten Donald Trump an Erdogan zu reden.

Vizepräsident Pence und Aussenminister Pompeo sollen in Ankara zwischen der Türkei und den Kurdenmilizen vermitteln. Trump forderte die türkische Regierung zu konstruktiven Verhandlungen mit der US-Delegation auf und drohte andernfalls erneut mit harten Wirtschaftssanktionen.

Zugleich machte er deutlich, der Konflikt in Nordsyrien sei nicht das Problem der USA. In der Heimat gerät Trump wegen seines Kurses in dem Konflikt immer stärker unter Druck.

«Seien Sie kein harter Kerl. Seien Sie kein Narr!»

Wie zudem am Mittwoch bekannt wurde, schrieb Trump Erdogan einen Brief, in dem er ihn mit drastischen Worten zu einer friedlichen Lösung im Nordsyrien-Konflikt aufrief: «Seien Sie kein harter Kerl. Seien Sie kein Narr!», appellierte er darin.

Merkel kritisiert Türkei

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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Türkei eine Destabilisierung in Syrien vorgeworfen und erneut ein Ende des Vormarsches in Nordsyrien gefordert. Es handele sich um ein «humanitäres Drama mit grossen geopolitischen Folgen», sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag.

Die Rolle Russlands in der Region werde massiv verstärkt. Die Folgen der Entwicklung seien noch nicht absehbar. Zudem drohe angesichts des türkischen Vorgehens gegen kurdische Einheiten die radikalislamische IS-Miliz wieder zu erstarken, weil Gefangene fliehen könnten.

Die Türkei könne ihre berechtigten sicherheitspolitischen

Interessen an der türkisch-syrischen Grenze nicht mit

militärischen Mitteln erreichen, warnte Merkel. Sie begrüsse, dass viele EU-Partner die Haltung der Bundesregierung teilten, derzeit keine Waffen mehr an den Nato-Partner zu liefern.

Der US-Sender Fox News veröffentlichte eine Kopie des Schreibens, das auch andere US-Medien für echt erklärten. Datiert ist der Brief auf den 9. Oktober – also jenen Tag, an dem die Türkei mit ihrer Militäroffensive in Nordsyrien begann. In einer Pressekonferenz am Mittwoch hatte Trump den Brief an Erdogan selbst erwähnt.

Trump ermahnte Erdogan darin, er wolle sicher nicht für den Tod tausender Menschen verantwortlich sein. Andernfalls werde die US-Regierung die türkische Wirtschaft zerstören.

Die kurdische Seite sei zu Verhandlungen bereit, schrieb Trump demnach weiter. «Sie können ein grossartiges Abkommen schliessen.» Erdogan könne auf positive Weise in die Geschichte eingehen, wenn er in dem Konflikt richtig und menschlich handele. Andernfalls werde er als Teufel in die Geschichte eingehen.

Waffenstillstand kommt für Erdogan nicht infrage

Die Amerikaner wollen eine Waffenruhe in dem Konflikt erreichen. Die Chancen, damit in Ankara weiterzukommen, dürften jedoch gering sein. Erdogan hatte in der Nacht auf Mittwoch bereits klargestellt, dass ein Waffenstillstand nicht infrage komme, solange das von ihm ausgerufene Ziel nicht erreicht sei.

Die Türkei will entlang der syrisch-türkischen Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und die Kurdenmilizen vertreiben, die dort ein grosses Gebiet kontrollieren.

UNO-Sicherheitsrat besorgt

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Der UNO-Sicherheitsrat hat sich besorgt über die humanitäre Lage im Nordosten Syriens geäussert. Die Situation drohe sich weitere zu verschlechtern, heisst es in einer kurzen Erklärung. Auch sei zu befürchten, dass gefangene Kämpfer der Terrormiliz IS entkommen könnten.

Die türkische Invasion im Nordosten Syriens wird in der Erklärung nicht erwähnt, und sie verurteilt auch keine der involvierten Seiten.

Erdogan schloss am Mittwoch ausserdem Verhandlungen mit der Gegenseite aus. Es gebe Anführer, die vermitteln wollten, aber die Türkei setze sich nicht mit «Terroristen» an einen Tisch, sagte er.

Kritik an Trump

Trump betonte, die USA seien bemüht, in dem Konflikt zu vermitteln. Mit Sanktionen und Zöllen sei mehr zu erreichen als mit militärischer Macht.

Trump ist seit Tagen massiver Kritik – auch und gerade aus den Reihen seiner Republikaner – ausgesetzt, er habe mit dem Abzug amerikanischer Soldaten aus Nordsyrien den Weg für Erdogans Militäroffensive geebnet und die Kurden schändlich im Stich gelassen. Ernsten Widerstand gegen Trumps Kurs gibt es auch im US-Kongress.

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