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Millennials und Babyboomer «Das Generationenkonzept ist wissenschaftlich nicht haltbar»

Was wird der Generation Z nicht alles vorgeworfen, den zwischen 1995 und 2010 Geborenen: Sie seien verweichlicht und verwöhnt und wollten nicht arbeiten. Aber umso fordernder im Auftritt. Aber kann man Menschen pauschal beurteilen aufgrund ihres Geburtsjahrs? Nein, kann man nicht, sagt der Soziologie-Professor Martin Schröder von der Universität des Saarlands. Dieses Generationenkonzept sei wissenschaftlich nicht haltbar.

Martin Schröder

Professor für Soziologie

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Martin Schröder ist Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Europa an der Universität des Saarlandes und forscht zu den Themen soziale Ungleichheit, Sozialstaat, Kapitalismusvarianten, Wirtschaftssoziologie, Generationen, Moral und Lebenszufriedenheit. Er promovierte am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und studierte in Osnabrück, der Sciences Po Paris und der Harvard University.

SRF News: Wie begründen Sie die Ablehnung dieses Generationenkonzepts?

Martin Schröder: Wenn man von Generationen spricht, müsste dies statistisch überprüfbar sein: Ich muss die Einstellung von Menschen durch ihr Geburtsjahr erklären können, unabhängig davon, wann ich sie frage und wie alt sie sind. Wer also den 1980er-Jahren geboren wurde, hätte demnach eine bestimmte Einstellung, nicht nur im Jahr 2000, sondern auch im Jahr 2020. Aber die Vermutung, ich könnte dadurch erklären, wie Menschen denken, wenn ich weiss, wann sie geboren wurden, findet man in grossen Umfragen nicht bestätigt.

Es gibt demnach keine Generation Z, keine Generation Y, keine Millennials und keine Babyboomer?

Im Endeffekt ja. Das Problem ist, dass sich dies nicht dadurch erklären lässt, wann jemand geboren wurde, sondern durch Alterseffekte. Wenn ich sage, junge Menschen wollen heutzutage weniger arbeiten als früher, dann liegt das daran, dass junge Menschen schon immer weniger lange arbeiten wollten. Anders, als vielleicht mit 45, wenn man eine Familie oder ein Haus finanzieren muss.

Wir alle sind anders als früher.

Zudem wollen heute alle weniger arbeiten als früher. Es hat aber nichts mit Generationen zu tun, weil wir uns alle verändert haben. Ich kann genauso sagen, 50-Jährige wollen weniger arbeiten als früher. Dann macht es eigentlich mehr Sinn zu sagen: junge Menschen sind anders als alte. Wir alle sind anders als früher. 

Einstellungen hängen also vom Alter der Menschen ab und nicht von der Generationen­zugehörigkeit. Denken Junge anders als Alte?

Wir alle denken anders als früher. Ich gehe mal davon aus, dass Sie z.B. mit 20 öfters ausgegangen sind, als mit 45. Das wäre ein typischer Alterseffekt. Wenn man z.B. in den 1980ern gefragt hätte, ob Homosexuelle heiraten dürfen, dann waren damals viele eher skeptisch. Heute können sich das viele gut vorstellen. Das wäre ein Periodeneffekt. Statistisch sieht man, dass sich Einstellungen erklären lassen durch diesen Alters- und Periodeneffekt, was man auch Zeitgeist nennen kann. Wenn man diese Effekte herausnimmt, dann bleibt nicht mehr viel, was sich allein durch das Geburtsjahr erklären lässt. 

Auf sozialen Plattformen findet man immer wieder junge Leute, die sich über die hohe Arbeitsbelastung beklagen, oder Vorgesetzte, die sich über die Arbeitseinstellung dieser Leute beklagen. Sind das nur Einzelfälle?  

Wenn man ständig Anstellungsgespräche mit 55-Jährigen führen würde, würde man merken, dass sie im gleichen Ausmass auch nicht mehr so lange arbeiten möchten wie früher. Es gibt aber noch einen weiteren Grund: Wenn Sie als Arbeitnehmer einen Arbeitsmarkt haben mit niedriger Arbeitslosigkeit, dann können Sie auch viel fordern, denn Sie finden sowieso einen guten Job.

Wenn die Arbeitslosigkeit zunimmt, hätten wir ganz schnell keine Generation Z mehr und der vermeintliche Generationeneffekt würde verschwinden.

Das erklärt nur die anspruchsvolle Haltung der vermeintlichen Generation Z mit einer niedrigen Arbeitslosenquote. Wenn die Arbeitslosigkeit aber zunimmt, hätten wir ganz schnell keine Generation Z mehr und der vermeintliche Generationeneffekt würde verschwinden.

Wenn dieses Generationenkonzept wissenschaftlich nicht haltbar ist, weshalb wird es denn so oft verwendet?

Evolutionär wollen wir uns alle einer Gruppe zugehörig fühlen. Es zeigt sich immer noch dadurch, dass uns eine Gruppenzugehörigkeit ganz wichtig ist als Mann oder Frau oder als Schweizer oder auch als Generation. Unsere Generationen­zugehörigkeit speist sich also aus dem Interesse, unsere eigene Gruppe aufzuwerten und andere Gruppen abzuwerten. Wenn wir das aber mit Kategorien wie Geschlecht oder Herkunft machen, wird das als Sexismus und Rassismus angesehen.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Echo der Zeit, 11.08.2024, 19:30 Uhr ; 

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