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Misstrauensvotum in Österreich Kurz vor dem Sturz

  • Die österreichischen Sozialdemokraten wollen nach Angaben von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einbringen.
  • Der nun angepeilte Misstrauensantrag ist umfangreicher als der der Liste «Jetzt», der sich nur gegen den Kanzler richtet.
  • Auch die rechte FPÖ sagte am Montag, dass sie einem Misstrauensantrag wahrscheinlich zustimmen wird.

Seit dem Rauswurf aus der Regierung befindet sich die rechtspopulistische Partei in der Opposition. Der designierte Parteichef Norbert Hofer liess verlauten, dass seine Fraktion dem Misstrauensantrag der sozialdemokratischen SPÖ «wohl» zustimmen werde.

Kein Vertrauen in Kurz

Definitiv aushebeln will Kurz und seine Regierung die grösste Oppositionspartei, die SPÖ. Eine entsprechende Empfehlung habe die Parteiführung an die am Montag tagende Fraktion gegeben, sagte Rendi-Wagner am Sonntagabend. «Ich vertraue darauf, dass wir hier auch Mehrheiten bekommen werden», sagte sie weiter. Es habe in der Regierungskrise und auch davor keine substanziellen Gespräche des Kanzlers mit der Opposition gegeben. Der 32-Jährige verdiene kein Vertrauen mehr.

Peter Pilz von der Liste «Jetzt» meinte, «das ist eine neue Situation», die man erst analysieren müsste. Da sich der Misstrauensantrag der SPÖ umfangreicher ist, käme er als erster zur Abstimmung.

Stimmt tatsächlich auch die FPÖ für den Antrag, wäre die Kanzlerschaft des 32-jährigen Chefs der konservativen ÖVP nach knapp anderthalb Jahren beendet. Statt der Regierungsmannschaft solle dann ein Expertenkabinett die Arbeit übernehmen, sagte FPÖ-Parteichef Hofer. «Vor Experten muss sich niemand fürchten.»

Siegreiche Wahlergebnisse für ÖVP

Kurz errang mit der ÖVP am Sonntag bei der EU-Wahl einen fulminanten Sieg. Die Konservativen holten laut Hochrechnungen mit 34,9 Prozent ihr bisher bestes EU-Wahlergebnis. Die SPÖ profitierte nicht von der Krise und erreichte nur 23,4 Prozent, ein leichtes Minus gegenüber 2014.

Kurz befürchtete Koalition bereits

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz rechnete selber mit seinem Sturz beim Misstrauensvotum. Nachdem er seine Stimme für die Europawahl abgegeben hatte, trat Kurz am Sonntag vor die Medien. Der 32-Jährige sagte, er gehe davon aus, dass SPÖ und die FPÖ gemeinsam dem Misstrauensantrag zustimmen werden. Dies wird sich nach dem Misstrauensantrag der SPÖ wohl bewahrheiten. Im «Kurier» sagte er auch dazu, was er davon hält: «Es ist entlarvend.»

Dämpfer für Kurz' Karriere

Hintergrund des Misstrauensantrags ist die Affäre um das Ibiza-Video, das den FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Fall gebracht hatte. In der Folge traten alle FPÖ-Minister zurück.

Sollte eine Mehrheit der Parlamentarier für den Antrag stimmen, müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen neuen Regierungschef ernennen.

Sicher ist: Ein Misstrauensvotum gegen Kurz wäre ein Dämpfer für seine Karriere, aber sicher nicht ihr Ende. Dass Kurz und die ÖVP aus den Neuwahlen im September nicht als weiterhin stärkste Kraft hervorgehen, ist nahezu undenkbar.

Umfrage spricht für Kurz

Dass Kurz bei den Wählern weiterhin populär ist, zeigte vor den Europawahlen zudem eine Umfrage, über die die österreichische Tageszeitung «Der Standard» am Samstag berichtete. Laut der repräsentativen Auswertung des Market-Instituts aus Linz würden 37 Prozent der Befragten Sebastian Kurz bei einer Direktwahl die Stimme geben.

Die SPÖ-Chefin erhielt demnach 22 Prozent der Stimmen. Beide Werte seien gegenüber der Vorwoche nahezu unverändert, schreibt «Der Standard» – die Regierungskrise hat dem Ansehen des Kanzlers zumindest in dieser Umfrage also noch nicht geschadet.

In der gleichen Umfrage sagten zudem 52 Prozent, dass sie gegen einen Sturz der Regierung sind, 30 Prozent sind dafür, der Rest ist unentschlossen.

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