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Misstrauensvotum überstanden May darf weitermachen – doch die Ohnmacht bleibt

Die Palastrevolution gegen die britische Premierministerin ist gescheitert.

Die Rebellen, die grossmehrheitlich inbrünstig an einen radikalen, bedingungslosen Bruch mit der Europäischen Union glauben, konnten 117 Abgeordnete hinter sich scharen, was Theresa May den Rest, also 200 Stimmen, bescherte.

Das reicht knapp zum Weitermachen. Weniger als die Hälfte jener Abgeordneten, die keine Regierungsämter bekleiden, unterstützten sie. Das ist fragil.

May hat sich ein Jahr Zeit verschafft

Die Regeln der Konservativen Partei verbieten eine Wiederholung dieses Misstrauensvotums in den nächsten zwölf Monaten. May hat deshalb etwas mehr Bewegungsfreiheit im Umgang mit ihren unbelehrbaren Fraktionsgenossen.

Allein sie fühlte sich gezwungen, ein Versprechen abzugeben, dass sie die Partei nicht in die nächste Wahl führen werde – obwohl sie sich das eigentlich gewünscht hätte. May wird damit als «lahme Ente» weiterregieren – als Regierungschefin auf Abruf.

Das Misstrauensvotum war letztlich nur die jüngste Manifestation eines seit einer Generation schwelenden Zwists innerhalb der Konservativen Partei. Der ist dadurch indessen nicht beigelegt.

Die Rebellen, die sich um den altmodischen Reaktionär Jacob Rees-Mogg und den schillernden, unberechenbaren Boris Johnson scharen, werden keine Ruhe geben. Sie sind wie Raubtiere, denen man ein blutiges Steak hinwirft: Sie wollen immer mehr; sie sind nie gesättigt.

Das Fazit aus dem andauernden Chaos in Westminster ist ernüchternd: Die krampfhaften Zuckungen der Tory-Partei ändern nichts an der Sachlage. May beharrt auf ihren Vereinbarungen mit der Europäischen Union, auf dem rechtsverbindlichen Scheidungsabkommen – und auf der luftigen Erklärung über die Zukunft.

Unterhaus wird nicht zustimmen

Sie ist am Dienstag diagonal durch Europa gereist, um Nachbesserungen zu erbitten. Ihre Gesprächspartner blieben höflich, aber bestimmt: Zuckerguss und Schleifen? Selbstverständlich. Aber der Vertrag wird nicht umgeschrieben.

Daraus folgt zwingend, dass das Unterhaus nicht zustimmen wird. Egal, wann dieses Papier endlich zur Abstimmung kommt. Das zeigen die Zahlen des Misstrauensantrags.

Schwere Suche nach Alternativen

So erweist sich die Vereinbarung der Regierung May mit Brüssel als gefährlicher Stolperstein: Bevor das Unterhaus diese Vorlage begräbt, kann die Suche nach konstruktiven Alternativen nicht beginnen. Ein Misstrauensvotum der versammelten Opposition gegen die Regierung würde wohl scheitern; Neuwahlen bleiben derzeit unwahrscheinlich.

Je länger das andauert, desto plausibler wird der abrupte Absturz des Vereinigten Königreichs in den vertragslosen Zustand nach dem 29. März kommenden Jahres.

Altmodische Prozeduren mögen die Hände des Unterhauses, die dies verhindern wollen, binden.

Martin Alioth

Ehemaliger Grossbritannien- und Irland-Korrespondent, SRF

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Der ehemalige Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

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