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Mit dem Rollstuhl ins All Barrierefreie Raumfahrt? Querschnittsgelähmte schreibt Geschichte

Die deutsche Weltraum-Ingenieurin Michaela Benthaus ist am Samstag als erster Mensch mit Querschnittslähmung ins Weltall geflogen. Die Deutsche sagt, dass sie die bemannte Weltraumfahrt barrierefrei machen wolle. Ein deutscher Inklusionsaktivist erklärt, was das mit Inklusion zu tun hat.

Raúl Krauthausen

Inklusionsaktivist

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Raúl Krauthausen ist Inklusionsaktivist, Autor, Moderator und Speaker. Krauthausen setzt sich dabei seit über 20 Jahren für die Belange behinderter Menschen ein.

SRF: Fördern solche Aktionen tatsächlich die Inklusion?

Raúl Krauthausen: Ich denke, dass diese Reise etwas beitragen kann, denn damit wird auch gezeigt, dass Raumfahrt nicht nur denen vorenthalten ist, die keine Behinderung haben und männlich sind, sondern auch Frauen sein können und auch Frauen mit Behinderung. Da steckt ein grosses Potenzial darin.

Die Raumfahrtingenieurin will die bemannte Weltraumfahrt barrierefrei gestalten. Wie relevant ist dieses Anliegen überhaupt, wo Menschen mit Behinderungen in ganz alltäglicheren Bereichen auf Barrieren stossen?

Ob jetzt die Raumfahrt durch Frau Benthaus barrierefrei wurde, würde ich gerne mit einem Fragezeichen versehen, weil, soweit ich weiss, ja eher der Mensch angepasst wird, dass er oder sie in die Kapsel passt.

Michaela Benthaus

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Michaela Benthaus sitzt im Rollstuhl in der Weltraumkapsel.
Legende: Michaela Benthaus ist die erste Person mit einer Behinderung, die ins All geflogen ist. Keystone/Blue Origin via AP

Seit einem Mountainbike-Unfall 2018 sitzt die Deutsche im Rollstuhl. Sie sei schon vom Weltraum fasziniert, seit sie als Kind «Star Wars» gesehen habe, hatte die 33-Jährige vor dem Flug gesagt. «Ich denke, man soll seine Träume nie aufgeben. Es gibt manchmal die kleine Chance, dass sie wahr werden», erklärte Benthaus.

Die Ingenieurin arbeitet bei der europäischen Raumfahrtbehörde ESA.

Vielleicht wurde die Raumfahrt inklusiver, weil das Personal inklusiver ist. Ob jetzt die Raumfahrt barrierefrei wurde und was genau an der Kapsel für Menschen mit Behinderung angepasst wurde, kann ich nicht sagen.

Ist das schon das Zeichen, das ausgesendet worden ist, dass die Gesellschaft sich anpasst und barrierefreier wird und gar nicht die Infrastruktur?

Genau das ist auch etwas, was mir ein anderer Astronaut mit Behinderung erzählt hat, John McFall, der gerade für die ESA trainiert und auch auf einer Liste steht, als erster männlicher Astronaut mit Behinderung im All.

Soweit ich weiss, ist die Raumfahrt insgesamt eine einzige, sehr grosse Barriere.

Er hat mir zum Beispiel in einem Gespräch erzählt, dass es eher darum geht, dass die Prothese, die er benutzt, in der Schwerelosigkeit funktioniert, weil sie mit Hydraulik funktioniert.

Würde auch heissen, man muss den Menschen mit Behinderung anpassen. Ist das das Ziel der Inklusion?

Das ist eben nicht das Ziel der Inklusion. Es ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, dies gemacht zu haben, um zu merken, was noch alles fehlt. Jetzt wäre die Frage, wenn man länger im Weltall sein will: Geht das überhaupt ohne Rollstuhl? Oder wenn nein, was müsste man an der Kapsel, an der Rakete, an der Raumstation anpassen? Es ist, so meine Kritik, an den Medien und am Journalismus, wie schnell dann Dinge plötzlich barrierefrei genannt werden. Soweit ich weiss, ist die Raumfahrt insgesamt eine einzige, sehr grosse Barriere.

Wie wichtig sind solche Vorkämpferinnen, wie Michaela Benthaus?

Wir haben ein Kinderbuch mit dem Titel «Als Ella das All eroberte» zu dem Thema geschrieben. Wir wollen auch Kindern zeigen: Nur weil die Erwachsenen sagen, das geht nicht, muss das nicht heissen, dass das stimmt. Frau Benthaus zeigt diesem Kind, dass man auch mit Behinderung ins Weltall kann.

Welches Zeichen steckt dahinter, dass der Weltraumflug mit dem Unternehmen Blue Origin durchgeführt wurde, hinter dem der US-Multimilliardär Jeff Bezos steckt?

Ich würde das alles gar nicht so gross mit Barrierefreiheit in der Raumfahrt oder Inklusion in der Raumfahrt machen, sondern es ist ein PR-Stunt von Blue Origin. Das hat dazu geführt, dass wir beide dieses Interview führen und dass das Thema deswegen in der Presse ist. Und warum diskutieren wir in den Medien alle so breit, ob die Raumfahrt jetzt barrierefrei wurde? Und warum diskutieren wir nicht darüber, dass Linienflüge mit Swissair, Lufthansa usw. für Menschen mit Behinderung immer noch Horror sind?

Das Gespräch führte Yves Kilchör.

SRF 4 News, 23.12.2025, 6:51 Uhr ; 

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