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Mit Gewalt und Desinformation «Moskau will bei Entscheidungen mit am Tisch sitzen»

Russland tut viel, um seinen Einfluss weltweit zu verstärken: In Myanmar beispielsweise versorgt Moskau die Militärregierung mit Waffen, in Burkina Faso unterstützen russische Söldner die Putschisten. Was hinter den Aktivitäten – insbesondere der geheimnisumwitterten Gruppe Wagner – steckt, weiss Russland-Spezialistin Margerete Klein von der Berliner SWP.

Margerete Klein

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Margarete Klein ist Forschungsgruppenleiterin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin mit Schwerpunkt russische Sicherheitspolitik.

SRF News: Wie hat sich die russische Aussenpolitik seit dem Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr verändert?

Margerete Klein: Moskau versucht, den Eindruck zu vermeiden, es sei international isoliert. Nach aussen will man Grossmacht sein und gegen innen will man zeigen, dass es der Westen ist, der isoliert ist. So werden die aussenpolitischen Kosten, die Russland durchaus hat, verschleiert.

Gegen aussen will Russland eine Grossmacht sein und gegen innen will man zeigen, dass es der Westen ist, der isoliert ist.

Auch will Russland die Unterstützung in den UNO-Gremien sicherstellen und eine Verurteilung vermeiden. Deshalb geht Moskau sehr stark auf die afrikanischen Staaten zu, sie bilden die grösste Stimmengruppe in der UNO. Gezielt sucht das russische Regime zudem die Nähe zu Ländern, die im Konflikt mit dem Westen stehen wie Iran, Myanmar oder Nordkorea.

Russland will eine neue Weltordnung

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Symbolbild: Putin auf Bildschirmen bei einem Auftritt vor dem Kreml.
Legende: Reuters

«Russland möchte die globale Ordnung neu gestalten – zu einer post-westlichen Ordnung hin», sagt Margerete Klein. Aus russischer Sicht sollten westliche Werte wie Demokratie, Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit keine grosse Rolle mehr spielen. «In dieser neuen Ordnung haben die Staaten ihre eigenen Interessen, mit Grossmächten an der Spitze, die die internationale Ordnung definieren. Und da möchte Russland eine Grossmacht sein», sagt die Russland-Kennerin. «Deswegen befinden wir uns ganz klar auch in einem Ordnungskonflikt mit Russland.»

Russland ist in der afrikanischen Sahel-Region besonders aktiv. Drängt Moskau hier bewusst in Regionen, in denen bislang westeuropäische Staaten präsent sind oder waren?

In der Tat zieht sich etwa Frankreich aus Mali oder Burkina Faso zurück – während gleichzeitig Russland dort aktiv wird. Und weil die regulären Militärkräfte der Russen in der Ukraine gebunden sind, dringen in Afrika die Wagner-Söldner hinein.

Wagner ist bloss auf dem Papier eine Privatarmee, in Wahrheit aber sehr eng mit dem Kreml verbunden.

Wagner ist bloss auf dem Papier eine Privatarmee, in Wahrheit aber sehr eng mit dem Kreml verbunden und bietet diesem viele Vorteile: So kostet deren Engagement den Kreml praktisch nichts, denn die Firmen des Wagner-Financiers Jewgeni Prigoschin sind in Afrika im Gegenzug für das militärische Engagement an Minen beteiligt oder erhalten Schürfrechte von Gold- und Diamantenminen.

Gleichzeitig kann sich Moskau von allen Menschenrechtsverletzungen, welche die Wagner-Söldner begehen – bekanntermassen kam es in Mali beispielsweise zu einem Massaker mit hunderten Toten – distanzieren.

Die Gruppe Wagner ist auch auf Propaganda-Arbeit spezialisiert. Welche Rolle spielen Information und Desinformation in Afrika?

Ihre Rolle wird immer wichtiger. Prigoschin-nahe Firmen bieten ein ganzes Portfolio an Dienstleistungen an – wie Medienmanipulation, Einmischung in den Wahlkampf oder Diskreditierung der Opposition. In Sudan etwa sollte die Opposition als Israel-freundlich, anti-islamisch und pro-LGBT diskreditiert werden.

Wagner bietet Dienstleistungen an, die von Kampfeinsätzen bis zu gezielten Desinformationskampagnen gehen.

In Mali wiederum nahm die antifranzösische Desinformation vor dem Militärputsch stark zu. Wagner bietet also Dienstleistungen an, die von Kampfeinsätzen über den Schutz von Machthabern bis hin zu militärischer Ausbildung oder gezielten Desinformationskampagnen gehen.

Desinformation verfängt in Afrika

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Lawrow und Lourenco.
Legende: Russlands Aussenminister Sergei Lawrow bei Angolas Präsident Joao Lourenco. Keystone/Ampe Rogerio

In Afrika laufe derzeit eine sehr starke antifranzösische Desinformationskampagne der Russen, welche darauf abziele, sich selber als Alternative ohne koloniale Vergangenheit – im Gegensatz zu den Europäern – darzustellen, sagt Margerete Klein. «Dabei wird völlig ausgeblendet, dass Russland als neokoloniale Macht in der Ukraine gerade einen Eroberungskrieg führt.» Auch werde kolportiert, der Westen sei dekadent und bei seinen Aktivitäten in Afrika ausschliesslich hegemonial getrieben. «Das verfängt in diesen afrikanischen Ländern durchaus – auch weil russische Medienkonzerne wie RT in Französisch dort sehr aktiv sind», so Klein.

Welche Ziele verfolgt Russland mit diesen Wagner-Aktivitäten?

Man will vor allem «Spoiler-Potenzial» schaffen – damit will sich Russland in Krisen, die für Europa wichtig sind, unverzichtbar machen. Moskau will mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen getroffen werden. Oder es kann die Krisen auch eskalieren lassen und damit zum Beispiel neue Migrationsströme oder Terror in Richtung Europa exportieren. So verfügt Moskau über eine Art Eskalationsdrohung, nicht bloss via die Ukraine, sondern auch via andere Weltregionen.

Das Gespräch führte Amir Ali.

SRF 4 News, 7.2.2023, 9:20 Uhr ; 

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