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Mit Knoblauch gegen Methangas Wie Kühe von Klima-Killerinnen zu klimafreundlichen Wesen werden 

Kühe stossen Unmengen an Methangas aus, was dem Klima massiv schadet. Das muss nicht sein, sagen Forschung und Futtermittel-Entwickler übereinstimmend. Spezielle Pflanzen oder Futterzusätze können die Methangasproduktion verringern. 

«Die Kühen mögen es», gerät der Unternehmer Thomas Hafner ins Schwärmen. Der gebürtige Deutsche führt das britisch-schweizerische Unternehmen Mootral, welches einen Futterzusatz entwickelt hat, der Kühen beim Verdauen hilft, sodass sie weniger Methangas produzieren.  

Der Methangas-Blocker von Mootral wird aus Knoblauch und Schalen von Zitrusfrüchten gewonnen. Das natürliche Extrakt reduziert im Pansen-Magen der Kuh jene Mikroben, die bei der Gärung des Futters Methan produzieren.  

Holstein-Kühe
Legende: Bei der Holstein-Rasse handelt es sich um eine der bedeutendsten Milchviehrassen. srf

«Bei Holstein-Kühen reduziert sich das Methan um über 20 Prozent», sagt Unternehmer Hafner stolz über Feldversuche mit Hunderten von Kühen in Grossbritannien. «Bei Jersey-Kühen erreichten wir gar eine Reduktion des Methangases um 38 Prozent.»   

Jersey-Kühe im Stall.
Legende: Die Jersey-Rasse gilt als eine der ältesten Rinderrassen der Welt. srf

Wie schädlich sind Kühe fürs Klima? 

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Eine Kuh stösst über 100 kg Methangas pro Jahr aus, durch Furzen und durch Rülpsen beim Wiederkäuen. Auf der ganzen Welt leben gegenwärtig rund 1 Milliarde Rinder und Kühe. In der Schweiz verursachen Kühe und Rinder rund 8 Prozent der landesweiten Klimagas-Emissionen. Die Schweizer Landwirtschaft stösst jährlich 3.8 Millionen Tonnen Methan aus, gemäss Zahlen des Bundesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2020. Methangas schadet dem Klima 25-mal stärker als Kohlendioxid. Doch es baut sich in der Atmosphäre viel schneller ab als Treibhausgas CO2. 

Die Rindviehhaltung rund um den Globus ist schlecht fürs Klima. 9 Prozent der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen werden von Rindern und Kühen verursacht. Und die Bauern geraten zunehmend unter Zugzwang, ihre Betriebe klimafreundlicher zu führen. 

«Es geht um das Überleben der Milchproduktion» 

Das wissen auch John und Edward Towers aus dem nordenglischen Lancashire. Sie haben rund 400 Milchkühe und mischen dem Futter ihrer Kühe das Knoblauch- und Zitrusextrakt von Thomas Hafner bei; täglich 20 Gramm für jede Kuh. 

Wenn wir das Klimaproblem unserer Kühe nicht lösen, dann können wir bald keine Milch mehr produzieren – weil die Konsumenten wegbleiben.
Autor: Edward Towers Bauer aus Lancashire

Für Jungbauer Edward ist klar: «Wenn wir das Klimaproblem unserer Kühe nicht lösen, dann können wir bald keine Milch mehr produzieren – weil die Konsumenten wegbleiben. Wir müssen es lösen, damit die Milchindustrie überleben kann.»  Der Futterzusatz kostet die Bauernfamilie jährlich umgerechnet 22'000 Franken; eine lohnende Investition, ist der Milchproduzent überzeugt: «Unsere Milch hat dadurch eine wesentlich bessere Klimabilanz.» 

«Es gibt kein Wundermittel» 

Auch Frigga Dohme-Meier sucht nach Möglichkeiten, den Methangas-Ausstoss von Kühen zu reduzieren. Bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, leitet sie ein Team, das Wiederkäuer erforscht. Und sie sagt: «Leider gibt es kein Wundermittel.» Sie habe den Futterzusatz der Firma Mootral auch unter die Lupe genommen und «keine nennenswerte Reduktion des Methangas-Ausstosses» festgestellt.  

Das heisse nicht, dass das Produkt nichts bringe, erklärt Dohme-Meier. Doch: «Es hängt ganz davon ab, wo, wie und bei wie vielen Tieren Messungen vorgenommen worden sind.» Bei Methanmessungen gebe es kein standardisiertes Verfahren. «Grundsätzlich weiss man noch sehr wenig über die Langzeitwirkung von solchen Futterzusatzstoffen – insbesondere, wie lange die Wirkung bei Wiederkäuern anhält und das Methan tatsächlich reduziert wird.»   

«Wir möchten auch in die Schweiz liefern» 

Sein Mittel sei seriös erforscht und von mehreren englischen Bauern über längere Zeit erprobt worden, kontert Thomas Hafner von Mootral. «Natürlich hängt es von der Gattung der Kuh ab, wie stark sich das Methangas reduziert.» Und seine Firma entwickle das Produkt laufend weiter. «Es liegt noch viel mehr drin.»  

Futterzusatz in einem Eimer.
Legende: 20 Gramm des Knoblauch- und Zitrusextraktes gibt es täglich als Futterzusatz für jede Kuh. srf

Hafner möchte seinen Futterzusatz auf Knoblauch- und Zitrusbasis auch Schweizer Bauern verkaufen. Doch da steht ihm ein Erlass der Bundesbehörden im Weg: Knoblauch fällt in die Kategorie der lauchartigen Gemüse, die gemäss der Futtermittelverordnung nicht an Milchkühe verfüttert werden dürfen. Die Qualität der Milch könnte beeinträchtigt werden. 

Hafner lacht: «Da hat jemand mal errechnet, dass sich die Milch verändert, wenn man einer Milchkuh 400 Gramm Knoblauch am Tag verfüttert. Doch wir füttern 20 Gramm.» Hafner ist in Kontakt mit dem Bundesamt für Landwirtschaft, damit dieser Passus möglichst bald aus der Verordnung gestrichen wird. «Wir haben eine Klimakrise. Und wir müssen schnell etwas dagegen unternehmen.» 

Was können die Bauern fürs Klima tun? 

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Es geht auch kostengünstiger: Es gibt Futterpflanzen, wie zum Beispiel die althergebrachte Esparsette, die vorteilhaft für die Verdauung der Kühe sind – und damit fürs Klima. Das haben Tests von Agroscope ergeben. Forschungsleiterin Frigga Dohme-Meier empfiehlt: «Man muss die gesamte Fütterungssituation eines Betriebes anschauen und fragen: Was lässt sich optimieren? Mit welchen Produkten und Massnahmen lassen sich die Emissionen senken?»

Gut fürs Klima ist sicherlich, auf den Zukauf von Futtermitteln aus Regionen zu verzichten, wo Urwald für den Ackerbau gerodet wird. Und: Je kürzer zugekaufte Futtermittel transportiert werden müssen, desto weniger Abgase werden ausgestossen – was besser ist fürs Klima. 

 

10vor10, 12.8.2022

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