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Mit Tusk zur Demokratie zurück Ein Signal der Hoffnung über Polen hinaus. Wirklich?

Zumindest in Polen ist der Spuk vorbei. Der Liberale Donald Tusk übernimmt die Regierungsgeschäfte. Damit kehrt ein Stück Normalität zurück. Polen beweist, dass die Abkehr von der Demokratie umkehrbar ist. Gut acht Jahre lang haben die Nationalpopulisten um Jaroslav Kaczynski am Rückbau der Demokratie gearbeitet. Sie sind dabei weit gekommen. Doch dann hatten die Polen und nicht zuletzt die Polinnen und sehr viele Jungwähler genug.

Das wird weit über Polen hinaus und ganz besonders in der EU mit Erleichterung quittiert und als Signal der Hoffnung verstanden. Polen könne und solle zum Muster werden für andere Länder, die in den Autoritarismus abdriften. Nüchtern betrachtet ist indes wahrscheinlicher, dass Polen kein Modellfall ist, sondern ein Sonderfall.

Wacher Bürgersinn

Die Polen bewiesen nämlich über all die Jahre hinweg einen wachen Bürgersinn, gingen auf die Strassen, protestierten. Es gibt weiterhin starke zivilgesellschaftliche Organisationen. Zwar wurden die öffentlichen Medien auf Linie gebracht, doch daneben liessen sich kritische nicht unterkriegen. Und es gab in Polen mit dem erfahrenen früheren EU-Ratspräsidenten und Ex-Regierungschef Donald Tusk eine valable Alternative. Schliesslich machte eine rekordhohe Wahlbeteiligung von fast 75 Prozent die Wende möglich.

Die meisten dieser Voraussetzungen sind in anderen Ländern mit autoritär strukturierten Führern nicht vorhanden. In Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orban die Abkehr von der Demokratie schon viel weiter vorangetrieben. Ebenso Aleksandar Vucic in Serbien. Weite Teile der Bevölkerung in diesen beiden Ländern nehmen das hin. In der Türkei scheint Präsident Recep Tayyip Erdogan kaum noch abwählbar; eisern kontrolliert er die Hebel der Macht. Und dass Russland wieder zur Halbdemokratie zurückkehrt, die es unter Michail Gorbatschow und Boris Jelzin kurzzeitig war, erscheint in absehbarer Zeit undenkbar. Zu apathisch ist die Bevölkerung, zu skrupellos verteidigt «Zar» Wladimir Putin seine Macht.

Viele Länder gehen den umgekehrten Weg

Und in zahlreichen Ländern weisen die Tendenzen genau in die umgekehrte Richtung als aktuell in Polen. In der Slowakei hat der korrupte und autoritäre Linkspopulist Robert Fico die Macht zurückerobert. Argentinien hat eben einen Anarchokapitalisten gewählt.

In Österreich, in den Niederlanden, in Frankreich und anderswo könnten bald politische Kräfte vom äussersten rechten Rand das Zepter übernehmen. Für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verheisst all das nichts Gutes. Während jeweils Konservative, Liberale oder Sozialdemokraten eine unterschiedliche Politik innerhalb der gegebenen Ordnung anstreben, wollen autoritäre und populistische Führer ebendiese Ordnung aus den Angeln heben. Einmal an der Macht sind sie dabei oft verblüffend erfolgreich.

Selbst die westliche Führungsmacht USA könnte sich rasch wieder in diese Richtung bewegen. Donald Trump hat diktatorische Züge und kokettiert sogar damit. Die «New York Times» schreibt: Als ein Historiker in einem Essay warnte, Trumps Wahl könnte die USA zur Diktatur machen, forderte ein Trump-Alliierter, der Historiker gehöre eingekerkert … Es klingt wie eine Parodie. Zweifel daran, ob die amerikanische Demokratie eine zweite Amtszeit überlebt, sind nicht bloss erlaubt, vielmehr berechtigt.

So sehr man hoffen mag, dass Polen der Welt nun einen anderen Weg weist, so wenig spricht momentan dafür, dass der Funke aus Warschau tatsächlich auch in anderen Hauptstädten zündet.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Echo der Zeit, 12.12.2023, 18:00 Uhr

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