Grimmig schaut der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski dieser Tage von unzähligen Plakaten im Land herab, flankiert von einer grinsenden EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und vom Fraktionschef der konservativen EVP Fraktion, Manfred Weber. «Lasst sie nicht für uns entscheiden», steht darunter.
Und Regierungschef Viktor Orban postete auf Facebook ein Video, das aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen des früheren Chefs der ungarischen Streitkräfte zeigt. Dazu apokalyptische Bilder ungarischer Soldaten auf dem Schlachtfeld und in Särgen. Alles erzeugt mithilfe künstlicher Intelligenz.
«Wir wollen nicht, dass unsere Kinder an die ukrainische Front geschickt werden», sagt Orban in dem Clip. Und eine Stimme aus dem Off fordert «Stimmen Sie Nein».
Lügen auf Social Media und in den Staatsmedien
Bis Freitag konnte die ungarische Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie für oder gegen einen EU-Beitritt der Ukraine ist. Seit Wochen bombardieren die Staatsmedien das Publikum mit haarsträubenden Behauptungen, die Ukraine sei ein gefährliches, kriminelles Land, so der Tenor. Ein Zentrum des Drogenhandels, ein Mafiastaat, der die EU mit billigen Arbeitskräften überschwemmen werde.
Orban hat schon mehrfach zu diesem Instrument sogenannter nationaler Konsultationen gegriffen, jedes Mal mit einer suggestiven Fragestellung. Solche Befragungen seien ein Mittel, die Unterstützerinnen und Unterstützer der Regierung zu mobilisieren, sagt der Ungarnexperte Daniel Hegedüs vom German Marshall Fund in einem Podcast von n tv.
«Was wir hier sehen, ist eine politische Propagandakampagne, wo die Regierung probiert eigentlich eine Fassade von demokratischer Legitimation hinter ihrer sehr fragwürdigen Position bezüglich des EU-Beitritts der Ukraine zu stellen oder aufzubauen.»
Orban scheint getrieben durch die Angst
Viktor Orban und seine Regierung torpedieren die europäische Unterstützung der Ukraine seit Beginn des russischen Grossangriffs und sie versuchen mit allen Mitteln, den EU Beitritt der Ukraine zu behindern.
Bei dieser Befragung geht es aber wohl auch um Innenpolitik. Die Ukraine dient als Feindbild, Orban braucht diese, um an der Macht zu bleiben und hat dieses Mittel in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich eingesetzt mit Kampagnen gegen Flüchtlinge, gegen den Investor George Soros und gegen die EU.
Diesmal steht viel auf dem Spiel, denn im nächsten Frühling sind Wahlen und Orbans Herausforderer Peter Magyar gewinnt stetig an Popularität. Es hat sich eine Orban-Müdigkeit breitgemacht, wegen der weitverbreiteten Korruption und der schlechten Wirtschaftslage.
Das Verhältnis zur Ukraine dürfte Thema bleiben
Der Premier behauptet nun, das kriegslüsterne Brüssel habe zusammen mit Selenski Magyars Chisa Partei gekauft, um in Ungarn eine proukrainische Kraft an die Macht zu bringen, die Ungarn in den Krieg treiben wolle.
In Wahrheit ist Magyar in Sachen Ukraine sehr vorsichtig. Er ist höchstens ein verhaltener Unterstützer des Nachbarlandes, das um seine Existenz kämpft. Die Volksbefragung, die rein symbolisch ist und laut Fachleuten leicht manipuliert werden kann, wird wohl das von Orban gewünschte deutliche Nein zu einer Ukraine Mitgliedschaft in der EU ergeben. Ob sich Orban aber mit solch durchsichtigen Mitteln weiter an der Macht halten kann, ist keineswegs ausgemacht.