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Mögliches Pandemie-Ende Darum ist der Optimismus rund um die Omikron-Variante verfrüht

Die sich rasant ausbreitende Omikron-Variante wird nach Einschätzung von Expertinnen und Experten wohl nicht zu der erhofften Herdenimmunität gegen das Coronavirus führen. Das Problem ist unter anderem die schnelle Mutation des Virus.

Seit den ersten Tagen der Pandemie haben viele die Hoffnung geäussert, dass es möglich sei, eine Herdenimmunität gegen Covid-19 zu erreichen, wenn ein ausreichend hoher Prozentsatz der Bevölkerung geimpft oder mit dem Virus infiziert ist. Diese Hoffnungen wurden aber enttäuscht, als das Coronavirus im vergangenen Jahr in rascher Folge zu neuen Varianten mutierte, die es ihm ermöglichten, Menschen, die geimpft waren oder sich zuvor angesteckt hatten, erneut zu infizieren.

Virus wird Wege finden, Immunabwehr zu überwinden

Zwar haben einige Gesundheitsbehörden, etwa in Israel, die Möglichkeit der Herdenimmunität seit dem Auftauchen von Omikron Ende letzten Jahres wieder aufgegriffen. Sie verweisen auf die Tatsache, dass sich die Omikron-Variante so schnell ausbreitet. Und gleichzeitig seien die Verläufe milder, was dafür sprechen kann, dass der schon bestehende Immunschutz wirkt und die krankmachende Wirkung des Virus abschwächt.

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Aus dem Archiv: Spitze der Omikron-Wand bald erreicht
Aus Tagesschau vom 18.01.2022.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 59 Sekunden.

Epidemiologen weisen jedoch darauf hin, dass die Übertragbarkeit von Omikron dadurch begünstigt wird, dass diese Variante besser als ihre Vorgänger in der Lage ist, Menschen zu infizieren, die geimpft sind oder eine frühere Infektion hatten. Die Forscher sehen dies als Beleg dafür, dass das Virus Wege findet, die Immunabwehr zu überwinden, und dies auch weiter tun könnte.

Ob Omikron mild bleibt, ist nicht sicher

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Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat der deutsche Virologe Christian Drosten gesagt, dass es verschieden Möglichkeiten gebe, wie sich Omikron von einer eher milden Variante in eine stärker krankmachende entwickeln könnte. Man müsse befürchten, dass eine Rekombination aus Omikron und Delta passiere.

Der Grund dafür liege in der Veränderung am sogenannten Spike-Protein. Deshalb gelinge es der Omikron-Variante derzeit, den teilweise bestehenden Immunschutz zu umgehen.

Es sei nun vorstellbar, dass zukünftig ein Virus entstehe, welches einerseits «das Spike-Protein des Omikron-Virus trägt, um weiterhin diesen Immunvorteil zu geniessen, aber den Rest des Genoms des Delta-Virus hat», sagte Drosten weiter. Aus beiden Serotypen, «beiden Welten», könnten so die stärksten Eigenschaften zusammenkommen. «So etwas gibt es, das ist schon beschrieben worden. Man muss im Moment befürchten, dass so etwas passieren könnte.»

«Das Erreichen eines theoretischen Schwellenwerts, ab dem die Übertragung aufhört, ist angesichts der Erfahrungen, die wir mit der Pandemie gemacht haben, wahrscheinlich unrealistisch», sagt Olivier le Polain, Epidemiologe bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zur Nachrichtenagentur Reuters.

Das heisse aber nicht, dass eine vorherige Immunität keinen Nutzen bringt, sagen Experten: Es gebe zunehmend Hinweise darauf, dass Impfstoffe und frühere Infektionen die Immunität der Bevölkerung gegen Covid-19 stärken, wodurch zumindest das Risiko schwerer Krankheitsverläufe sinken sollte.

Covid-19 lässt sich nicht wie Masern in Schach halten

«Solange die Immunität der Bevölkerung bei dieser Variante und künftigen Varianten anhält, haben wir Glück und die Krankheit wird beherrschbar sein», sagt David Heymann, Professor für Epidemiologie für Infektionskrankheiten von der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die derzeitigen Covid-19-Impfstoffe können in erster Linie, schwere Erkrankungen und Todesfälle verhindern, nicht aber eine Infektion.

Die Ergebnisse klinischer Studien für die Zulassung dieser Impfstoffe Ende 2020 zeigten, dass zwei Dosen der Impfstoffe eine Wirksamkeit von über 90 Prozent Schutz gegen die Krankheit erzeugen. Wie gut der Schutz durch die Impfstoffe gegen eine Infektion ist, blieb zunächst offen. Die Hoffnung war, dass die Impfstoffe so gut gegen eine Infektion schützen könnten, dass sie Corona ähnlich gut eindämmen könnten, wie das durch Impfstoffe bei Masern möglich ist. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

Das habe zwei Gründe, sagt der Epidemiologe Marc Lipsitch, von der Harvard T.H. Chan School of Public Health. «Der erste ist, dass die Immunität insbesondere gegen Infektionen, die für die Eindämmung die wichtigste Art der Immunität ist, recht schnell abnimmt. Zumindest bei den Impfstoffen, die wir derzeit haben.» Zweitens könne das Virus schnell so mutieren, dass es sich der Schutzwirkung einer Impfung oder einer früheren Infektion entziehen könne.

Mehr Immunität ≠ genügend Immunität

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In einem Artikel in der US-Zeitschrift «The Atlantic» geht Virginia Pitzer, Epidemiologin an der Yale School of Public Health, davon aus, dass nach der Omikron-Welle in den USA voraussichtlich 90 bis 95 Prozent durch eine Impfung und/oder Ansteckung mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen sind.

Dies heisse aber im Umkehrschluss nicht, dass diese 90 bis 95 Prozent auch vor eine Infektion oder Krankheit geschützt seien, analysiert die Autorin des Artikels, Katherine J. Wu. Denn mehr Immunität bedeute nicht, dass man genügend immun sei. Das Problem sei, aktuell könne niemand sagen, wie fest die einzelnen Personen geschützt seien. Also ob Person A (dreifach geimpft, kürzlich infiziert) mehr Schutz habe als Person B (zweifach infiziert, einmal geimpft) oder Person C (einmal infiziert, ungeimpft).

«Es verändert das Spiel, wenn geimpfte Menschen immer noch Viren ausscheiden und andere Menschen anstecken können», urteilt David Wohl, Spezialist für Infektionskrankheiten von der Chapel Hill School of Medicine an der Universität von North Carolina. Wohl warnt davor, anzunehmen, dass eine Omikron-Infektion den Schutz erhöht, insbesondere gegen die nächste mögliche Variante. «Wenn man Omikron hatte, schützt das vielleicht vor einer erneuten Infektion mit Omikron, vielleicht.» Aber nicht zwingend vor Infektion mit anderen Varianten.

Abhilfe schaffen könnten hier in der Entwicklung befindliche Impfstoffe, die eine Immunität gegen künftige Varianten oder sogar mehrere Arten von Coronaviren bieten, glaubt Pasi Penttinen, der führende Influenzaexperte des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten. Aber das brauche Zeit.

Endemie wird kommen – aber wann?

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Die Hoffnung auf eine Herdenimmunität als Eintrittskarte zurück in das normale Leben sei schwer ins Wanken zu bringen. «Diese Dinge waren in den Medien zu lesen: ‹Wir werden die Herdenimmunität erreichen, wenn 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sind›. Das ist nicht passiert. Dann bei 80 Prozent. Auch das ist nicht eingetreten», sagt Francois Balloux, Professor für computergestützte Systembiologie am University College London.

«So schrecklich es auch klingen mag, ich denke, wir müssen uns darauf einstellen, dass die grosse Mehrheit, im Grunde jeder, mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommen wird.» Experten gehen davon aus, dass das Coronavirus letztlich endemisch wird. Omikron hat die Frage aufgeworfen, wann genau dies der Fall sein wird, und, ob nach Omikron schon der endemische Zustand erreicht sein könnte. «Wir werden es schaffen», sagte WHO-Experte le Polain, «aber im Moment sind wir noch nicht so weit».

SRF 1, Tagesschau, 18.1.2022, 19:30 Uhr;

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