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Mossul will leben
Aus Rendez-vous vom 29.11.2018. Bild: SRF. Susanne Brunner.
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Mossul in Trümmern Der IS ist weg, doch der Terror bleibt

Über 16 Monate sind seit der Befreiung der irakischen Stadt Mossul vom «Islamischen Staat» vergangen. Die Lage hat sich kaum verbessert.

Die Brücke, die man nehmen muss, um zur Gesundheitsklinik zu gelangen, ist erst behelfsmässig geflickt. Das Spital liegt im Bab-al-Beed-Quartier in West-Mossul. Der Weg dahin führt an zerstörten Gebäuden vorbei über den Tigris.

Eine der beschädigten Brücken von Ost- nach Westmossul
Legende: Eine der beschädigten Brücken von Ost- nach West-Mossul. Sie muss man überqueren, wenn man zur Klinik der Hilfsorganisation Care International im Westen der Stadt gelangen will. SRF/Susanne Brunner

Auch das Spital selbst wurde schwer beschädigt. Während der Schlacht um Mossul habe hier eine Rakete eingeschlagen, erzählen zwei Putzfrauen. Das Hilfswerk Care International habe die Klinik wieder aufgebaut, sagt Hazem Youssef, der als Gesundheitsspezialist für die Organisation arbeitet.

Es fehlt an allem – selbst an Putzmitteln

Nach dem Wiederaufbau der Klinik musste das Hilfswerk zuerst Möbel – die sind immer noch Mangelware in Mossul – auftreiben, dann medizinische Geräte, Medikamente, Utensilien für Bluttests und Desinfektionsmittel.

Der Bedarf an medizinischer Grundversorgung ist riesig: Zum Beispiel muss jedes Paar vor der Hochzeit einen Bluttest machen, sonst darf es nicht heiraten.

Aussenansicht der Gesundheitsklinik von Care International in West-Mossul
Legende: Die Fassade des Gesundheitszentrums in West-Mossul ist von Einschüssen durchlöchert. SRF/Susanne Brunner

Andere haben chronische Krankheiten und brauchen ihre Medikamente. Selbst eine Grippe kann zum Problem werden, wenn man sie nicht behandelt. Die Regierung bezahle nicht einmal gewöhnliche Putzmittel, sagt Youssef.

Nicht nur dem Spital mangelt es an vielem. Auch den Menschen, die hier arbeiten. Die beiden Putzfrauen Amal und Alia klagen über alles: fehlendes Geld, zu hohen Blutdruck, und die vielen Kinder, die sie alleine durchbringen müssen, weil ihr Vater zum IS ging und ums Leben kam.

Alle paar Wochen ein Bombenanschlag

Deswegen haben sie auch Angst vor Rache. Denn wer in Mossul verdächtigt wird, mit dem IS zusammengearbeitet zu haben, lebt gefährlich. Noch immer werden Menschen entführt und ermordet. Bewaffnete schiitische Milizen, die mit der irakischen Armee gegen den IS gekämpft haben, übernehmen in der Stadt immer mehr die Kontrolle, was wiederum den Sunniten Angst macht.

Ein Haus in Trümmern, rote Backsteine
Legende: 54'000 Häuser sind in Mossul in den drei Jahren der Belagerung durch den IS und die darauf folgende Befreiungsaktion der Regierungstruppen zerstört worden. Auch Schulen und Spitäler. SRF/Susanne Brunner

«Wahnsinn!», tönt es aus dem Ärztezimmer, wo sich die Ärztin Shaima mit zwei Kollegen unterhält. Ihr Arztkollege Oday zeigt ein Foto auf seinem Handy. Das sei sein Haus gewesen. Der IS habe es zerstört. Shaima erklärt: Obwohl alle meinten, der IS sei vertrieben worden, seien die Terroristen wieder zurück.

Erst vor ein paar Wochen explodierte in Mossul wieder eine Autobombe. Es gab Tote und Verletzte. Davon hat das Ärzteteam in den letzten Jahren mehr als genug gesehen: öffentliche Hinrichtungen, Verhungerte und Kriegstote.

Aus ein paar Tagen wurden drei Jahre

Hätten sie gewusst, dass ihre Regierung zuschauen würde, wie der IS drei Jahre lang die Stadt terrorisiere, wären sie geflohen, sagt Arzt Oday. Aber sie dachten, der Schreck dauere vielleicht ein paar Tage. Und als sie fliehen wollten, war es zu spät. Shaima sagt, sie fragten sich alle immer wieder, warum das ausgerechnet in Mossul passieren musste.

Blick von der Brücke
Legende: Blick über die zerstörten Dächer von West-Mossul. Die irakische Stadt liegt in Trümmern. Der Wiederaufbau hat zwar längst begonnen. Doch es kommt immer wieder zu Anschlägen. SRF/Susanne Brunner

Für Sinnfragen bleibt den Ärzten nicht viel Zeit. Die Eingangshalle der Klinik ist voll von Menschen, die Hilfe brauchen. Gesundheitsspezialist Youssef kennt ihre Nöte und Bedürfnisse: Der irakische Christ musste selbst vor dem IS fliehen, sein Dorf wurde zerstört.

Nun versucht er anderen zu helfen, so gut es geht. In einer Stadt, in der von der Zufahrtsstrasse bis zu den Regierungsgebäuden alles kaputt ist, können Hilfswerksmitarbeiter aber bei weitem nicht alle Not lindern.

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