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Nach Abwahl der OSZE-Spitze «Ich schliesse eine erneute Kandidatur nicht aus»

Ungewöhnliches hat sich bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit OSZE zugetragen. Die ganze Führungscrew wurde abgewählt und damit auch der Generalsekretär und Chef der Organisation, der Schweizer Spitzendiplomat Thomas Greminger. Er äussert sich im «Echo der Zeit» erstmals zu seiner Nicht-Wiederwahl.

Thomas Greminger

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Thomas Greminger ist ein schweizerischer Diplomat und seit Juli 2018 der Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Weiterhin ist er der Generalstabsoffizier der Schweizer Armee.

SRF News: Üblicherweise ist die Wiederwahl eines OSZE-Generalsekretärs reine Formsache. Wurden sie überrascht?

Thomas Greminger: Ja, schon. Bis vor einigen Monaten hätte man erwartet, dass die Wiederbestellung aller vier Führungspersönlichkeiten der OSZE relativ unproblematisch ablaufen wird. Doch dann kamen Widerstände auf. Zuerst von Aserbaidschan, das den Medienbeauftragten in Frage stellte. In diese Bresche sprangen dann auch die Türken und die Tadschiken. Und dann zerfiel dieses Viererpaket. Allerdings war schon das Zustandekommen dieser vier Ernennungen eine diplomatische Sonderanstrengung. Entsprechend sind solche politische Pakete einem gewissen Risiko ausgesetzt.

Schon die Ernennungen waren eine diplomatische Sonderanstrengung. Solche politischen Pakete sind einem gewissen Risiko ausgesetzt.

Sehen sie sich ein Stück weit als Kollateralschaden einer schwierigen Situation in der OSZE, fast ein bisschen als Bauernopfer?

Ja, das ist eine faire Umschreibung. Meine Person und meine Leistung wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Natürlich gab es hier und da Kritiken. Das ist normal in einer Organisation mit 57 Teilnehmerstaaten. In dem Sinne wurde ich schon ein wenig Opfer einer politischen Dynamik.

Ist nicht etwas faul in einer Organisation, wenn aus einer Routine-Wiederwahl ein Debakel wird?

Es zeigt natürlich Schwachstellen der Organisation auf. Es widerspiegelt die sehr starke Polarisierung in der euro-atlantischen Sicherheitspolitik.

Fühlten Sie sich bei der anstehenden Wiederwahl vom Bundesrat und vom EDA in Bern genügend unterstützt?

Ja, absolut. Ich bin da in einer absolut privilegierten Situation. Niemand wurde auch nur annähernd so stark unterstützt, von der Bundespräsidentin, vom Aussenminister und vom Staatssekretär. Daran hat es nicht gelegen.

Sie sind mit dem Ziel angetreten, die OSZE dynamischer und sichtbarer und die Zentrale in Wien aktiver zu machen. Ihr Zehn-Punkte-Plan fand Anklang. Ist denkbar, dass manche Regierung gar keine schlagkräftigere OSZE wollte?

Es mag sein, dass es solche Teilnehmerstaaten gibt. Allerdings hat nur eine kleine Minderheit kein allzu grosses Interesse an starken OSZE-Institutionen. Alles in allem konnte ich in den drei Jahren zwar nicht alles, aber einiges umsetzen vom Zehn-Punkte-Plan.

Wenn sie ihre Bilanz anschauen, würden sie sagen: Es ist zäh, aber man kann in kleinen Schritten etwas erreichen?

Das ist eine gute Zusammenfassung. Es ist uns auch gelungen, unsere wichtigste Operation – die Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine – durch stürmische See zu führen.

Es ist gelungen, die wichtigste Operation – die Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine – durch stürmische See zu führen.

Als Kritikpunkt hat man auch gehört, dass einzelne westliche Staaten den Eindruck hatten, Sie hätten zu enge Kontakte zu Russland gepflegt, aber sich zu wenig um Washington oder Paris bemüht. Was ist da dran?

Dem muss ich klar widersprechen. Ich habe sehr genau darauf geachtet, dass ich ebenso häufig in Washington war wie in Moskau und in Brüssel. Ausgewogenheit ist das Herz dieser Organisation. Dem habe ich sehr konsequent nachgelebt.

Ausgewogenheit ist das Herz dieser Organisation. Dem habe ich sehr konsequent nachgelebt.

Heisst das für die OSZE mit ihren 3500 Mitarbeitern und die Beobachtermission in der Ostukraine, dass die Organisation nun voraussichtlich viele Monate völlig führungslos sein wird?

Ich sehe es als meine Aufgabe an, in meinen letzten Tagen im Amt eine Übergangsführung auf die Beine zu stellen. Natürlich ist es wichtig, dass die Organisation so rasch als möglich wieder eine intakte Führung hat. Eine interimistische Führung kann nicht alles sicherstellen. Aber wenn die Teilnehmerstaaten jetzt den albanischen Vorsitz darin unterstützen, möglichst rasch die Führungscrew wieder zusammenzubringen, ist es machbar.

Ich sehe es als meine Aufgabe an, in meinen letzten Tagen im Amt eine Übergangsführung auf die Beine zu stellen.

Die Mitgliedstaaten sind nun aufgefordert, bis September Kandidaturen einzureichen. Wäre es denkbar, dass die Schweiz Sie erneut als Kandidaten vorschlägt?

Das ist denkbar und wird eigentlich von vielen erwartet. Von vielen im Sekretariat innerhalb der OSZE, aber auch von vielen Teilnehmerstaaten. Ob wir das tun werden, muss jetzt besprochen werden.

Aber Sie schliessen das persönlich nicht aus?

Nein. Ich würde das nicht ausschliessen. Ich habe schon so viel in diese OSZE investiert und war jetzt eigentlich bereit, diese Funktion die nächsten drei Jahre mit demselben Engagement auszuüben. In dem Sinne werde ich das sicher ernsthaft prüfen.

Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

Echo der Zeit, 14.07.2020, 18:00 Uhr ; 

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