Letzte Woche wurde in den USA James Comey angeklagt. Der zuständige Staatsanwalt trat zurück, eine Trump-Anwältin wurde als Staatsanwältin eingesetzt. In aller Eile präsentierte sie den Fall einem Geschworenengremium, einer Grand Jury – und erreichte eine Anklage. Nur Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist. Will Trump damit die Unabhängigkeit der Justiz beseitigen? Rechtsprofessorin Barbara McQuade von der University of Michigan weiss mehr dazu.
SRF News: Ist die Anklage gegen James Comey politisch motiviert?
Barbara McQuade: Mit der Anklage wird mindestens der Anschein erweckt, dass es nicht um Gerechtigkeit geht, sondern um Vergeltung seitens Präsident Trump. Nur weil eine Anklage ein Geschworenengremium übersteht, heisst das nicht, dass die Anklage ethisch korrekt und nicht politisch motiviert ist. Die Verteidigung wird einen Antrag auf Abweisung der Klage stellen können, mit der Begründung, sie sei politisch motiviert. Zudem wird eine Jury Comey in einem Prozess einstimmig schuldig sprechen müssen.
Sollen erfahrene Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Trump-Ära im Amt bleiben und versuchen, Normen und Standards hochzuhalten – oder zurücktreten, um die eigene Integrität zu schützen?
Das ist schwierig. Als ehemalige Staatsanwältin fordere ich meine sehr integren Freunde auf, im Justizministerium zu bleiben. Denn wir brauchen dort solche Menschen. Ich verstehe aber auch, dass sie es nicht mit ihrer Berufsethik vereinbaren können, besonders wenn sie aufgefordert werden, etwas Illegales zu tun. Ich denke, deshalb entscheiden sich manche Leute, das Justizministerium zu verlassen. Doch wer ersetzt sie? Eine schwierige Entscheidung.
In den USA ist die Unabhängigkeit der Justiz zwar eine Norm, sie wird aber nicht in der Verfassung festgeschrieben ...
Ein Markenzeichen des Präsidentenamtes seit dem Watergate-Skandal in den 1970er-Jahren ist die Einhaltung solcher Normen: die Idee der Unabhängigkeit des Justizministeriums vom Weissen Haus, der Grundsatz, in der Strafverfolgung keine Entscheidungen aufgrund politischer Überlegungen zu fällen. All das sind unverbindliche Normen. Wenn Präsidenten Normen verletzen, kann das unserer Demokratie sehr schaden.
Wie unabhängig ist das Justizministerium noch?
Justizministerin Pam Bondi scheint Trumps Vision des Justizministeriums voll und ganz zu teilen. Trump hat inzwischen auch mehrere US-Staatsanwältinnen und -anwälte im ganzen Land ernannt.
Ich befürchte, dass die neuen Staatsanwälte bereit sein werden, Trumps Anweisungen Folge zu leisten.
Einige haben integer gehandelt, etwa jener, der aus der Abteilung der Bundesstaatsanwaltschaft zurücktrat, die Comey anklagen sollte. Auch eine Staatsanwältin aus dem südlichen Bezirk von New York: Sie wurde angewiesen, eine Klage gegen den New Yorker Bürgermeister Eric Adams fallenzulassen. Sie trat zurück. Weil Trump immer mehr neue Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ernennt, befürchte ich, dass diese bereit sein werden, seinen Anweisungen Folge zu leisten, statt sich an die ungeschriebenen Regeln zu halten.
James Comey hat erklärt, sein Herz breche ob der Instrumentalisierung des Justizministeriums. Fühlen sie auch so?
Ja. Es ist eine stolze Institution, die viel Integrität hatte. Das Richtige tun, auf die richtige Weise, mit dem richtigen Grund. Das war stets unser Mantra. Nun scheint das Justizministerium nur ein weiteres politisches Instrument zu sein – eines Präsidenten, der gewillt ist, Regeln zu missachten.
Das Gespräch führte Andrea Christen.