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Nach landesweiten Protesten Chinas scheue Abkehr von der Null-Covid-Politik

Lockerungen von Massnahmen Land auf Land ab, eine verstärkte Impfkampagne und eine neue Kommunikation: Es deutet vieles darauf hin, dass sich China gerade von seiner Null-Covid-Politik verabschiedet. Das ist aber kompliziert.

Einen der wichtigsten Gründe, weshalb China seine Null-Covid-Politik nicht einfach so fallen lässt, trifft man morgens im Park.

Seniorinnen und Senioren, die Federball spielen, Qigong (eine chinesische Meditationsform) praktizieren oder einfach die wärmenden Sonnenstrahlen geniessen. Von dieser sogenannt vulnerablen Gruppe haben erst wenige eine Booster-Impfung erhalten. Bei den über 80-Jährigen sind es beispielsweise erst 40 Prozent.

Studien zeigen: Mindestens drei Spritzen braucht es, damit die Impfungen, auch die chinesischen, gut vor schweren Verläufen und Todesfällen schützen.

Arzt empfiehlt nicht zu impfen

«Ich bin zweimal geimpft, meine Frau gar nicht», sagt ein Senior auf einer Parkbank. Der Arzt hätte davon abgeraten.

Eine Begründung, die man immer wieder hört, wenn man mit Pensionierten spricht. Ein schwaches Immunsystem und andere Gebrechen verhinderten die Impfung.

Die Angst der Leute ist das Problem.
Autor: Jin Dong-Yan Virologe, Universität Hongkong

Das sei ein Irrglaube, sagt Virologe Jin Dong-Yan von der Universität Hongkong. Die Behörden müssten die älteren Menschen und ihre Familien richtig informieren.

 «Viele Ältere glauben, die Impfung werde sie umbringen, weil sie ein schwaches Immunsystem oder andere Krankheiten haben. Die Behörden müssen ihnen aber erklären, dass sie vielleicht sterben, wenn sie sich nicht impfen lassen.»

Knackpunkt Kommunikation

Der Forscher der Universität Hongkong sieht in der Kommunikation dabei das grösste Problem. «Die Behörden müssen die Wahrheit sagen: bezüglich der Impfung, aber auch bezüglich der Erkrankung; zum Beispiel, wie selten Todesfälle, schwere Verläufe und Long Covid sind. Die Angst der Leute ist das Problem», so der Virologe.

Ein langer, dunkler Gang, an dessen Ende ein Mitarbeiter der Pandemieprävention steht, der einen Schutzanzug trägt.
Legende: Peking, 2. Dezember: Ein Mitarbeiter der Pandemieprävention steht in einem Wohngebäude, das wegen eines Corona-Ausbruchs abgeriegelt wurde. REUTERS/Thomas Peter

Vize-Premierministerin ändert das Narrativ

Tatsächlich scheinen die Behörden ihre Kommunikation langsam anzupassen. Die Vize-Premierministerin, die für Gesundheitsthemen zuständig ist, sagte vor einer Woche, dass die Omikron-Variante nicht so bedrohlich wie andere Virusvarianten sei. Zudem stehe die Pandemiebekämpfung vor einer neuen Phase.

Genau diese Botschaft haben in den letzten Tagen nun die staatlich kontrollierten Medien aufgenommen und weiterverbreitet. Zum Teil wurde sie mit chinesischen Forschern und Experten angereichert, die auch zu dieser Erkenntnis gekommen sind.

Verstärkte Impfkampagne

Zudem will die Regierung die Impfkampagne insbesondere bei den Älteren verstärken. Das merken auch die Federball-spielenden Seniorinnen im Park. «Ältere, die sich aus gesundheitlichen Gründen noch nicht haben impfen lassen, werden jetzt dazu aufgefordert», sagt eine 70-jährige Parkbesucherin.   

Die Entwicklungen in den letzten Tagen zeigen: China versucht, sich in kleinen Schritten vom Null-Covid-Dogma zu lösen.

Info 3, 06.12.2022, 17:00 Uhr

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