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Nach Regionalwahlen Nigel Farage bringt das britische Zweiparteiensystem ins Wanken

Die Protestpartei Reform UK ist die grosse Gewinnerin der Kommunalwahlen in England. Für den britischen Premierminister ist dies keine unmittelbare Bedrohung. Dieser ist bis 2029 gewählt. Das Resultat zeigt jedoch, wie unzufrieden die Britinnen und die Briten mit dem Zustand ihres Landes sind. Die Lebenskosten steigen, die Einwanderung, die Wartezeiten in den Spitälern, aber ebenso die Frustration der Wählerschaft, der seit Jahren versprochen wird, jetzt werde alles besser. Mit dieser Verheissung wurde den Briten der Brexit schmackhaft gemacht. Es waren aber auch die Wahlversprechen von Boris Johnson und später von Labour. Eingelöst wurde praktisch nichts.

Im Gegenteil. Der Amtsantritt von Premierminister Keir Starmer war eher holprig. Er fand seine Erfüllung in den vergangenen Wochen vor allem auf der internationalen Bühne. Doch lokale Wahlen werden auf löchrigen Dorfstrassen und in überfüllten Arztpraxen entschieden. Kurz dort, wo sich die Zumutungen des Alltags nicht mit Worthülsen schönreden lassen.

Inspiriert von Donald Trump

Von der Unzufriedenheit profitiert hat nicht die offizielle Opposition – die Konservativen – sie verlieren ebenso wie Labour. Die Gewinner sind die Grünen, die Liberaldemokraten und insbesondere Nigel Farage und seine rechtspopulistische Reform UK Partei.

Inspiriert von Donald Trump hat Farage den Ärger des Publikums auf die Institutionen und die etablierte Politik seit Monaten erfolgreich politisch kapitalisiert. Ob die Abschaffung des Home-Office und der Schulzahnpflege reichen, um das Land wieder auf Kurs zu bringen, darf man bezweifeln. Klar ist jedoch, dass Nigel Farage seinem Ziel, nach den nächsten Parlamentswahlen allenfalls in Downing Street einzuziehen, ein Stück nähergekommen ist. Denn es ist offensichtlich, dass seine Protestpartei mittlerweile mehr Wählerinnen und Wähler überzeugen kann als Labour und die Tories.

Bemerkenswerte Leistung

Zahlenmässig ist Reform UK nur eine lärmige Show an der Seitenlinie. Die Partei hält sechs von 650 Sitzen im Unterhaus. Trotzdem treibt Farage die etablierte Politik erfolgreich vor sich her. Der Mann ist rhetorisch beschlagen und weiss, welche Knöpfe er bei seinem Publikum drücken muss.

Mit Farage im Nacken könnte Starmers Politik in den kommenden Monaten wohl eher nach rechts rutschen, euroskeptischer werden und restriktiver in der Migrationspolitik. Für eine kleine Protestpartei – egal ob man das gut oder schlecht findet – eine bemerkenswerte Leistung. Nun müssen Nigel Farage und seine Partei in ihren Wahlbezirken zeigen, dass sie nicht nur protestieren können, sondern ebenso regieren.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Echo der Zeit, 2.5.2025, 18 Uhr

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