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Nach russischem Störmanöver Baerbock zur Präsidentin der UNO-Generalversammlung gewählt

  • Die ehemalige deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock ist zur nächsten Präsidentin der UNO-Generalversammlung gewählt worden.
  • Die 44-jährige Grünen-Politikerin erhielt eine grosse Mehrheit der Stimmen – trotz eines russischen Störmanövers.

Baerbock machte bei einer durch Moskau erzwungenen geheimen Abstimmung des grössten Gremiums der Vereinten Nationen 167 Stimmen. 14 Mitgliedsstaaten enthielten sich. Sieben weitere Länder sprachen sich in New York für die ursprüngliche deutsche Kandidatin Helga Schmid aus.

Der Spitzenposition wird in erster Linie protokollarische Bedeutung beigemessen – sie ist nicht mit der Rolle von UNO-Generalsekretär António Guterres zu verwechseln.

Frau hält Rede an einem Podium der Vereinten Nationen.
Legende: Die Wahl war zwar ungewöhnlich, doch sie wurde am Schluss deutlich gewählt: Die ehemalige deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock ist die neue Präsidentin der UNO-Generalversammlung. Keystone/RICHARD DREW

Die offizielle Amtseinführung ist am 9. September, kurz vor der Generaldebatte der UNO-Vollversammlung mit Staatsgästen aus aller Welt.

Wahl mit russischem Störmanöver

Entgegen allen Gepflogenheiten hatte Moskau Diplomatenkreisen zufolge eine geheime Abstimmung des grössten UNO-Gremiums mit 193 Mitgliedsländern über Baerbock beantragt. Normalerweise besiegelt die Vollversammlung Personalien ohne Gegenkandidaten per Akklamation, also im Konsens und ohne formelle Wahl.

Stattdessen kam es zu einer Abstimmung mit Stimmzetteln, auf denen nur Baerbocks Name stand, bei der aber auch eine Enthaltung oder das Hinzufügen eines weiteren Namens möglich war. Wie üblich stimmten einige Delegationen auch gar nicht mit ab.

Hohes Amt mit wenig Macht

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Als Präsidentin wird Baerbock die Sitzungen der Generalversammlung leiten sowie Abläufe und Tagesordnungspunkte festlegen. Mit diesen Aufgaben könnte die 44-Jährige zumindest begrenzten Einfluss auf Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen nehmen, etwa auf die Wahl des nächsten Generalsekretärs im kommenden Jahr. Dabei dürfte Baerbocks direkter Draht zu Aussenministern weltweit helfen – also den Chefs der UNO-Botschafter in New York.

Im Vergleich zur Vollversammlung gilt der 15-köpfige UNO-Sicherheitsrat mit den fünf Vetomächten als deutlich mächtiger. Er kann völkerrechtlich bindende Resolutionen erlassen. Die Entscheidungen der Generalversammlung dagegen haben oft eher symbolischen Wert und gelten als weltweites Stimmungsbild.

Russland hatte in den vergangenen Wochen kein Hehl daraus gemacht, dass es Baerbock für eine ungeeignete Kandidatin hält und ihr «eklatante Voreingenommenheit» unterstellt. Baerbock war als Aussenministerin gegenüber Russland im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine einen harten Kurs gefahren und damit immer wieder ins Visier Moskaus geraten.

Ursprünglich war für das Amt der Präsidentin der UNO-Generalversammlung die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid vorgesehen, die auch von Russland akzeptiert war. Baerbock wurde für ihre späte Kandidatur nach der verlorenen Bundestagswahl kritisiert.

Amtsantritt in Krisenzeiten

Baerbock hatte vor ihrer Wahl versprochen, das Gremium als «ehrliche Vermittlerin» und «einende Kraft» leiten zu wollen. Sie beginnt das neue Amt in Zeiten immensen finanziellen Drucks auf die Vereinten Nationen, unter anderem wegen der Kürzungen der US-Regierung unter Donald Trump. Baerbock hatte angekündigt, Reformen mit vorantreiben und die Ressourcen der Vollversammlung so effizient wie möglich einsetzen zu wollen.

Sie nannte als Schwerpunkte ihrer angestrebten Amtszeit das Erreichen der UNO-Nachhaltigkeitsziele, den Kampf gegen die Klimakrise sowie die Gleichstellung der Geschlechter. Der neue Job in New York wird als möglicher Beginn einer internationalen Karriere für Baerbock gesehen, die einen Masterabschluss im Völkerrecht hat.

Echo der Zeit, 2.6.2025, 18 Uhr ; 

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