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«Russlands Regierung will von eigenen Versäumnissen ablenken»
Aus SRF 4 News vom 09.04.2024. Bild: Keystone-SDA
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Nach Terroranschlag in Moskau Warum Russland an der «ukrainischen Spur» festhält

Nach dem Terroranschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau beharrt Russland darauf, dass die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten Drahtzieher gewesen seien – trotz Bekenntnis der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). «Russland kann nicht Ziel von terroristischen Angriffen islamistischer Fundamentalisten sein», sagte Präsident Wladimir Putin vergangene Woche. Beim Angriff wurden 144 Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt. Russlandkorrespondent Calum MacKenzie über die Hintergründe des Anschlags und das russische Narrativ.

Calum MacKenzie

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Was ist über die Hintergründe des Terroranschlags bekannt?

Fast alles in diesem Fall spricht dafür, dass tatsächlich der zentralasiatische Ableger des Islamischen Staates (IS) für diesen Anschlag verantwortlich war. Er hat ein Motiv, um Russland anzugreifen, und sein Bekenntnis scheint echt. Die Gruppe hat Bildmaterial als Beweis veröffentlicht. Die alternative Version, die vor allem von den russischen Behörden verbreitet wird, ist nüchtern betrachtet einfach nicht plausibel.

Wie glaubwürdig ist die «ukrainische Spur» der russischen Ermittler?

Davon halte ich wenig, weil glaubwürdige Beweise für diese angebliche Spur bislang fehlen. Russland behauptet erstens, die Attentäter hätten in die Ukraine fliehen wollen. Und zweitens: Auf ukrainischer Seite sei ein Minenfeld geräumt worden, um ihnen den Weg freizumachen. Dafür legt Russland keine Beweise oder Indizien vor.

Blick auf das zerstörte Gebäude. Es fehlen Fenster. Fassadenteile sind angebrannt.
Legende: Am 22. März hatten vier Männer in der Konzerthalle Crocus City Hall am Stadtrand von Moskau um sich geschossen und einen Brand gelegt. REUTERS/Evgenia Novozhenina

Wie glaubwürdig sind die Geständnisse der mutmasslichen Attentäter?

Die mutmasslichen Attentäter sagten aus, dass sie nach Kiew hätten fahren wollen, um eine Belohnung von 10'000 Franken zu erhalten. Die Männer sind aber gefoltert worden und die Sicherheitskräfte haben Videos davon veröffentlicht. Bilder aus dem Gerichtssaal zeigten die Männer mit blauen Flecken im Gesicht – einer war sogar im Rollstuhl. Mit der offenen Darstellung des groben Umgangs mit den Gefangen wollten die Sicherheitskräfte wohl Härte zeigen. Damit haben sie aber der Glaubwürdigkeit dieses ohnehin tendenziösen offiziellen Narrativs geschadet.

Warum beisst sich Russland so am Narrativ der ukrainischen Beteiligung fest?

Russland ist ein Vielvölkerstaat mit einer grossen muslimischen Bevölkerung. Aber die ethnischen Russen sind klar bessergestellt. Die interethnischen Beziehungen sind oft sehr schwierig und der Krieg heizt die Spannungen an. Minderheiten werden etwa überproportional für den Kriegsdienst rekrutiert. Der Kreml fürchtet sich vor diesen Spannungen und will deshalb nicht zugeben, dass Russland tatsächlich ein Feindbild von Islamisten ist. Mit dem Narrativ will er auch davon ablenken, dass die Sicherheitskräfte trotz Warnungen von amerikanischer Seite den Anschlag nicht verhindert haben.

Glaubt die Bevölkerung dem Narrativ der Regierung?

Das ist schwer zu sagen. Umfragen zeigen, dass es tatsächlich bei einer Mehrheit verfängt, aber Umfragen sind heute in Russland nicht sehr verlässlich. Ein grosser Teil der regimetreuen Bevölkerung ist bereit, diese Version zu akzeptieren. Im ganzen postsowjetischen Raum stossen Verschwörungstheorien auf offene Ohren, deswegen ist die Geschichte von zwielichtigen ukrainischen Hintermännern für viele gar nicht so abstrus. Gleichzeitig glauben viele Leute den Behörden nicht. Es kursieren Theorien, wonach der russische Geheimdienst selbst involviert gewesen sei. Dafür fehlen Beweise. Für viele Menschen in Russland, mit denen ich gesprochen habe, ist klar, dass es ein islamistischer Anschlag gewesen sein muss. 

SRF 4 News, 09.04.2024, 16:23 Uhr;

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