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Nach Unwetter-Katatstrophe Deutschland: Wurde Bevölkerung ungenügend gewarnt?

War der Katastrophenschutz ausreichend vorbereitet für die Hochwasser in Deutschland? Hätte die Bevölkerung besser gewarnt werden können? Muss der Bund künftig stärker eingreifen? Mitten im Wahlkampf folgt auf die Fluten eine Debatte über Bevölkerungsschutz und Klimapolitik.

Während sich die Lage in den deutschen Hochwassergebieten beruhigt, nimmt die politische Debatte über Folgen für Katastrophen- und Klimaschutz Fahrt auf.

Zur Kritik, die Warnung der Bevölkerung habe nicht gut funktioniert, sagte etwa der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Armin Schuster, es brauche einen Warnmittel-Mix aus verschiedenen Methoden, rein digitale Warnungen seien nicht der richtige Weg, sagte er im Deutschlandfunk. «Und deswegen wollen wir auch die gute alte Sirene zurückhaben.»

Und deswegen wollen wir auch die gute alte Sirene zurückhaben
Autor: Armin Schuster Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz

Derzeit sei man aber in der Phase «Retten, Bergen, Obdach bieten etcetera. Ich habe meinen Mitarbeitern sogar quasi untersagt, Manöverkritik zu machen. Wir helfen jetzt.» Mit einem Förderprogramm in Höhe von 90 Millionen Euro sollen gemeinsam mit den Bundesländern «an den richtigen Stellen» wieder Sirenen installiert werden. Schnell werde es aber nicht gehen. «Das ist ein Projekt für mehrere Jahre.»

Söder: «Es braucht einen Klima-Ruck»

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, sprach sich am Montag dafür aus, dass der Bund eine grössere koordinierende Rolle bei überregionalen Katastrophen wie Fluten oder Waldbränden bekommt. «Der zweite Punkt ist, dass wir Klima-Anpassungsmassnahmen brauchen», sagte sie im ARD-«Morgenmagazin». Auch CSU-Chef Markus Söder forderte in der Sendung hierbei mehr Anstrengungen: «Wir brauchen schon einen Klima-Ruck in Deutschland.»

Wissenschaftlerin macht Behörden schwere Vorwürfe

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Eine britische Wissenschaftlerin hat den deutschen Behörden «monumentales» System-Versagen bezüglich der Flutkatastrophe vorgeworfen.

Klare Hinweise, die im Rahmen des europäischen Frühwarnsystems EFAS bereits vier Tage vor den ersten Überschwemmungen herausgegeben wurden, seien offenbar nicht bei der Bevölkerung angekommen, sagte Hannah Cloke von der Universität Reading der «Sunday Times».

Die Forscherin war am Aufbau von EFAS (European Flood Awareness System) beteiligt, das nach den verheerenden Überschwemmungen an Elbe und Donau im Jahr 2002 gegründet wurde. Mithilfe meteorologischer und hydrologischer Daten sowie anhand von Computer-Modellen werden dabei Überschwemmungen und Sturzfluten vorhergesagt. Ziel ist es, Zeit zu gewinnen, um die Bevölkerung besser zu schützen

Dem Klimawandeldienst Copernicus zufolge wurde bereits am 10. Juli eine erste Warnung an die relevanten nationalen Behörden gegeben. Bis zum 14. Juli wurden demnach mehr als 25 weitere Warnungen mit fortlaufend aktualisierten Vorhersagen für spezifische Regionen des Rheins und der Maas herausgegeben.

Obwohl die genaue Vorhersage einzelner Überschwemmungsgebiete schwierig gewesen sei, hätte es «sicherlich Zeit» geben müssen, um grössere Gemeinden mit Warnungen und Evakuierungen vorzubereiten, sagte die Forscherin. Das Ergebnis zeige, dass viel schief gegangen sei.

«Die Menschen hätten Warnungen erhalten sollen, sie hätten die Warnungen verstehen sollen», kritisierte Cloke und fügte hinzu: «Es hat keinen Sinn, mit gigantischen Computer-Modellen vorherzusagen, was geschehen wird, wenn die Leute nicht wissen, wie sie sich bei einer Überschwemmung verhalten müssen.»

Im «Spiegel» sagte Baerbock: «Hilfe funktioniert nur, wenn alles ineinander greift. Dafür braucht es eine Instanz, die alle Kräfte bündelt, die schnellstmöglich aus ganz Deutschland oder EU-Nachbarstaaten Hubschrauber oder Spezialgeräte zusammenzieht.» Sie sprach von einer schnelleren Koordinierung der verschiedenen Ebenen und Akteure. Das gelte insbesondere für Ereignisse, die mehrere Bundesländer betreffen oder nicht mehr durch die regionalen Einsatzkräfte bewältigt werden könnten

Hilfe funktioniert nur, wenn alles ineinander greift
Autor: Annalena Baerbock Kanzerkandidatin Grüne

In der ARD sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin, auch Warnketten müssten verbessert werden. Und Städte müssten umgebaut werden, Flüssen müsse mehr Raum gegeben werden. «Das ist kein Entweder-oder zwischen Klimavorsorge, Klimaanpassung und Klimaschutz, sondern ein Dreiklang, der eigentlich in den ganzen Klimaschutzverträgen weltweit auch genauso beschlossen ist.» Von der CDU forderte sie im «Spiegel», Widerstand gegen ein striktes Bauverbot in Hochwasserrisikogebieten aufzugeben.

 FDP-Fraktionsvize: «Erhebliches Systemversagen»

Kritik am Bevölkerungsschutz gibt es zudem etwa von der FDP. Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer sieht schwere Versäumnisse beim Bevölkerungsschutz. «Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt.»

Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend kommuniziert worden
Autor: Michael Theurer FDP-Bundestagsfraktionsvize

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte am Sonntag im «Bild live»-Politiktalk «Die richtigen Fragen» Aufklärung, ob der Katastrophenschutz ausreichend funktioniert habe. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen. 

Der bayerische Ministerpräsident Söder kündigte für Mittwoch eine Regierungserklärung an. Dabei werde es nicht nur darum gehen, Ziele zu definieren, sondern das auch finanziell mit einem Klimaprogramm zu hinterlegen.

SRF 4 News, 19.07.2021, 11.30 Uhr ; 

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