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Nach Urteil des Supreme Court So streng sind Abtreibungsgesetze in anderen Ländern

In den USA werden Schwangerschaftsabbrüche in einigen Bundesstaaten illegal. Aber die USA sind damit keine Ausnahme. Einige Beispiele.

Die Menschen in den USA gehen seit Tagen auf die Strasse, in der Hauptstadt Washington, sie sind empört. Empört darüber, dass das oberste Gericht sagt: Bundesstaaten dürfen Abtreibungen verbieten.

Es ist eines der Themen, die die SRF Community im Moment am meisten beschäftigen. Werner Vetter schreibt zum Beispiel: «Bevor wir nun die USA verurteilen: Sie sind nicht die Einzigen.» Tatsache ist: Es gibt viele Länder mit strengen Gesetzen in Sachen Schwangerschaftsabbruch.

Wie die Karte des Zentrums für Reproduktionsrechte zeigt, haben viele Länder auf der Nordhalbkugel irgendeine Form von Fristenregel. Das heisst, Abtreibungen sind grundsätzlich bis zu einem bestimmten Punkt in der Schwangerschaft möglich. Andere Länder, etwa in Südamerika und Afrika, erlauben Abbrüche nur, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist.

Liechtensteinerinnen müssen über die Grenze

Viele US-Bundesstaaten werden neu dazukommen zu den Ländern mit den strengsten Abtreibungsgesetzen. Doch ein Land mit einem der strengsten Abtreibungsgesetze ist gar nicht so weit weg: In Liechtenstein sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Die freie Journalistin Gabriella Alvarez-Hummel stammt aus Liechtenstein und lebt heute in Zürich. Sie sagt: «Das Problem ist, dass das Fürstenhaus jeweils mit dem Veto droht und die Abtreibung partout nicht legalisieren will. Es sieht eigentlich relativ düster aus.»

So sind Abtreibungen in der Schweiz geregelt

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Bis wann darf man abtreiben? Seit 20 Jahren gibt es in der Schweiz die sogenannte Fristenlösung. Bis zur 12. Woche darf eine Schwangere selber entscheiden, ob sie einen Abbruch möchte. Danach geht es auch noch, aber nur, wenn es dringende medizinische Gründe dafür gibt.

Wie viele Abtreibungen gibt es? Im internationalen Vergleich sind es in der Schweiz eher wenige, sagt die Statistik. Etwa 10'000 bis 11'000 pro Jahr. Die Zahl ist nicht gestiegen seit der Einführung der Fristenlösung. In der Schweiz kommt die Krankenkasse für eine Abtreibung auf.

Düster ist es aus Sicht der betroffenen Schwangeren. Denn Schwangere dürfen in Liechtenstein nur abtreiben, wenn ihr Leben, ihre Gesundheit in Gefahr ist, oder wenn sie vergewaltigt worden sind. «Aber interessant ist ja, dass Schwangerschaftsabbrüche so oder so stattfinden. Deswegen ist es scheinheilig, wenn man sie verbietet», sagt Alvarez-Hummel.

Denn auch Liechtensteinerinnen lassen abtreiben: «Wenn man eine Abtreibung will, dann kriegt man die natürlich. Das ist ganz einfach: Man setzt sich ins Auto oder in den Bus und fährt über die Schweizer Grenze.»

Touristin kann Malta verlassen und überlebt

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Strassenschild «Son Espases»
Legende: Die Amerikanierin wurde ins Universitätsspital Son Espases auf Mallorca evakuiert. Keystone

In Malta sind Abtreibungen strengstens verboten. Auch wenn die Mutter in Lebensgefahr ist. Da zeigt ein aktueller Fall einer amerikanischen Touristin, den ARD-Korrespondent Jörg Seisselberg schildert: «Sie wollte in Malta mit ihrem Lebensgefährten feiern, dass sie schwanger ist. Es traten Komplikationen auf, die Fruchtblase platzte. Ultraschalluntersuchungen zeigten, dass das Kind nicht mehr lebensfähig war. Aber es war noch Herzschlag da. Und nach den absolut strikten Regeln Maltas konnten die Ärzte keine Abtreibungen durchführen.

Die Frau selbst war in Lebensgefahr. Es drohte eine Blutvergiftung, aber den Ärzten waren durch die Gesetze die Hände gebunden. Man versuchte, sie auszufliegen. Das hat dann auch geklappt. Sie ist nach Mallorca gebracht worden. Dort ist dann die Abtreibung durchgeführt worden, die Frau hat überlebt. Organisationen, die im Zusammenhang mit diesem Fall, der international für Schlagzeilen gesorgt hat, vor dem Parlament demonstriert haben, sagen, es dürfe nie wieder so sein, dass eine Frau wegen einer Abtreibung in Lebensgefahr gerate.

Es müsse möglich sein, eine Abtreibung durchzuführen, die Gesetze müssten gelockert werden. Dieser Forderung haben sich auch über 60 Malteser Ärzte angeschlossen. Es kommt also etwas Bewegung in diese Diskussion. Doch auf politischer Seite ist man sehr strikt. Keine grosse Partei tritt für eine Änderung des Abtreibungsrechts ein. Staatspräsident George Vella, ein Sozialdemokrat, hat sogar gesagt, dass er niemals ein Gesetz unterzeichnen würde, das Mord zulassen würde, und als Mord bezeichnet er in dem Zusammenhang eine Abtreibung.»

Neben Liechtenstein gilt auch in Polen ein strenges Abtreibungsrecht. Schwangerschaftsabbrüche sind nur erlaubt, wenn das Leben oder die Gesundheit der Mutter bedroht sind – oder wenn die Schwangerschaft durch Inzest zustande kam. Das Recht wurde im Herbst 2020 verschärft, wie SRF-Osteuropakorrespondent Roman Fillinger erklärt: «Es gab in Polen davor schon ein strenges Abtreibungsrecht. Aber damals waren Abtreibungen bei Föten mit schweren Missbildungen noch erlaubt.»

Polen löst ein altes Wahlversprechen ein

Das Verfassungsgericht, ein Gericht, das von der rechtskonservativen Regierungspartei abhängig ist, entschied, dass es nicht mehr erlaubt ist, missgebildete Föten abzutreiben. «Das ist eine massive Verschärfung», so Fillinger. «Die Regierung hat damit ein altes Versprechen an den rechten Flügel eingelöst.» Die Folge seien Demonstrationen gewesen.

Strenge Gesetze gelten auch in El Salvador. Es gebe keine Ausnahmen bei Abtreibungen, sagt Clara Franco vom Leibnitz-Institut für globale und regionale Studien in Hamburg. Das sei fast nirgends auf der Welt so.

Der Grund: Die Region sei grundsätzlich sehr konservativ. Das habe vor allem für eine betroffene Gruppe Konsequenzen: arme Frauen. Der Staat könne nicht alles kontrollieren. Und wenn eine Frau die finanziellen Mittel habe, könne sie sich eine illegale und sichere Abtreibung ermöglichen.

Gefängnis in El Salvador bei Fehlgeburten

Für arme Frauen gelte das nicht, so Franco. Sie seien es, die kriminalisiert würden. Es seien sogar schon Frauen im Gefängnis gelandet, weil sie eine Fehlgeburt hatten. Die Polizei komme ins Spital, verstehe kaum, was passiert sei. Sie nehme an, es sei mit Absicht eine Abtreibung gemacht worden. Dann landeten die Frauen im Gefängnis, zum Teil für Jahrzehnte.

Aber, es gebe Hoffnung, sagt Franco. Die aktuelle Verschärfung in den USA habe ja gezeigt, dass nichts in Stein gemeisselt sei – weder das Recht auf Abtreibung noch das Gegenteil: «Dinge können sich ändern.»

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SRF 4 News, 27.06.2022, 17:15 Uhr ; 

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