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Nach Verlusten für Kishida So geht es nach den Parlamentswahlen in Japan weiter

Premier Fumio Kishida hat den Worst Case vermieden; die Regierungskoalition in Japan bleibt an der Macht. Er und das neue Parlament müssen sich aber beweisen.

Wen haben die Japanerinnen und Japaner gewählt? In Japan fanden am Sonntag die Parlamentswahlen statt. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Junior-Koalitionspartner Komeito errangen 293 Sitze. Allerdings kam die LDP von Premierminister Fumio Kishida alleine auf 15 Sitze weniger als bei den letzten Wahlen.

Wie reagierte Kishida auf die Resultate? Die Koalition Kishidas hat weniger Sitze verloren als erwartet. Er wolle darüber nachdenken, wie die verringerte Koalitionsmehrheit seine Politik beeinflussen werde, sagte Kishida. Aber er fühle sich ermutigt und er wolle auf diesem Ergebnis aufbauen. Nächste Woche wird das Parlament Kishida als Premierminister noch einmal bestätigen. Dann will er seine Agenda umsetzen.

Warum haben die Menschen die Regierungspartei LDP wiedergewählt? Viele Menschen sind unzufrieden mit der LDP. Aber die Wahlen hätten gezeigt, wie konservativ Japan sei, erklärt Martin Fritz, freier Journalist in Japan. «Linksliberale Parteien wie die CDP haben es schwer. Die Japaner verlassen sich aus Bequemlichkeit seit langem darauf, dass die LDP schon gut regiert. Nur wenn ihr das nicht gelingt wie zuletzt, dann muss sie bei einer Wahl Federn lassen.» 

Strategie der Opposition

Box aufklappen Box zuklappen

Die Opposition unter Führung der CDP, der Konstitutionell-Demokratischen Partei, stellte in den meisten Direktwahlkreisen nur einen Kandidaten auf. Damit wollte sie die Stimmen der LDP-Gegner vereinen. «Eigentlich eine kluge Taktik», erklärt Martin Fritz, freier Journalist in Japan. «Aber diese Kooperation hat nicht geklappt. Im Gegenteil: Die CDP hat 14 Sitze verloren, also fast so viel wie die LDP selbst.» Der Gewinner war eine andere Oppositionskraft, die extrem konservative Restaurationspartei. Sie konnte ihre Mandate fast vervierfachen.

Welche Probleme müssen Premier Kishida und seine Regierung angehen? Die Bekämpfung der Pandemie steht oben auf der Liste. Seine zweite Herausforderung ist der Machtkampf zwischen den USA und China. «Die USA sind der einzige Sicherheitspartner von Japan. Gleichzeitig ist China vor der Haustür der wichtigste Handelspartner von Japan. Das erfordert einen fast unmöglichen politischen Spagat», sagt Martin Fritz. Die grösste Herausforderung ist laut Fritz die stark alternde Gesellschaft. 

Eine alte Frau und ein alter Mann sitzen nebeneinander
Legende: Im Wahlkampf sei nicht über stark alternde Gesellschaft geredet worden. Allerdings war ein Drittel der Wählenden über 65 Jahre alt sind, sagt Martin Fritz. Reuters

Was kann man von der neuen Regierung Japans in Sachen Klimaschutz erwarten? Japan hat angekündigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Vor zehn Tagen hat die Regierung einen neuen Energieplan verabschiedet. Danach sollen mehr als ein Drittel des Stroms im Jahr 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen. Aber Strom sei nur eine Säule, sagt der freie Journalist Fritz. Japan produziere sehr viele Autos, Stahl und Chemieprodukte.

Wie steht Kishida zur Aussen- und Sicherheitspolitik? Dazu hat Fumio Kishida bisher wenig gesagt. Fritz nennt jedoch drei Punkte: Eine stärkere Raketenabwehr, höhere Verteidigungsausgaben und die ökonomische Sicherheit, zum Beispiel die stabile Versorgung mit Halbleitern.

Abe und Suga schüttelt sich die Hand.
Legende: Die Vorgänger Shinzo Abe (links) und Yoshihide Suga (rechts) wollten, dass Japan eine aktivere Aussen- und Sicherheitspolitik betreibt, vor allem als Antwort auf Chinas Gebaren in Asien. Keystone

Gibt es Pläne, wie die Coronakrise bewältigt werden soll? Kishida hat sich bisher nur für frühzeitige Einschränkungen des öffentlichen Lebens ausgesprochen, falls die nächste Welle kommt. Er will mehr Krankenhausbetten vorhalten. «Von 3G-Massnahmen wie in Europa ist in Japan bisher nichts zu sehen. Stattdessen tragen die Japaner ausserhalb ihrer Wohnung lieber konsequent eine Maske.»

Was erwartet Japan unter Premier Kishida? Kishida muss sich laut dem Journalisten Fritz entscheiden, wie ernst er das Wahlergebnis nehmen soll. «Dann kann er mit der bisherigen neoliberalen Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Shinzo Abe, der sogenannten Abenomics, nicht einfach so weitermachen. Aber bricht er mit Abenomics, könnte er die Unterstützung von Abe verlieren. Das ist der wichtigste Strippenzieher in der LDP, dem er seinen Posten als Parteichef verdankt.» Zeit um den Wählenden seine Fähigkeiten zu beweisen, hat er aber nur bis zur Oberhauswahl im nächsten Sommer,

SRF 4 News, 01.11.2021, 06:43 Uhr ; 

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