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Nach Waldbränden in Frankreich Auf verbrannter Erde soll ein neuer Wald wachsen

Im Sommer kämpfte der Südwesten Frankreichs gegen verheerende Waldbrände. Am stärksten betroffen war die Gironde. Ein Augenschein.

François-Xavier Martin wohnt mitten in seinem Wald, weitab vom nächsten Dorf. Er kümmert sich noch selbst um seine 950 Hektaren Wald, hat die Verwaltung nicht an eine der grossen Gesellschaften abgegeben, wie viele andere Waldbesitzer.

Martin steht unter einer mächtigen Eiche, schaut nach Westen und schildert den Moment, als das Feuer auf sein Haus zukam. «Wie eine riesige Feuerwand haben sich die Flammen durch den Kiefernwald gefressen, rasend schnell.»

Die Feuerwehrleute hätten sich bei den Eichen aufgestellt und das Feuer abgewartet. Sobald das Feuer angekommen sei, hätten sie die Eichen mit aller Wucht mit Wasser bespritzt und so das Feuer vom Haus weg abgelenkt. «Innerhalb von fünf Minuten war das Feuer unter Kontrolle – trotz heftigem Gegenwind», erinnert sich Martin.

Die Spuren des Feuers sind auch zwei Monate nach dem Brand überall zu sehen. Angebrannte Kiefern und rostbraune Bäume mit verdorrtem Laub. Die Eichen dagegen scheinen unversehrt – wie Martins Haus. Ein Verdienst der Feuerwehr aus dem benachbarten Departement Les Landes, die Martin zu Hilfe gerufen hatte.

Ganz bewusst, weil diese Feuerwehr eine andere Taktik verfolge als in seinem Departement Gironde: Die Feuerwehrleute aus Les Landes würden das Feuer auch im Wald direkt angreifen. Die Feuerwehr der Gironde dagegen warte am Strassenrand, bis das Feuer dort sei.

Dies entspricht der Anweisung der Präfektur, in erster Linie Wohngebiete zu schützen und Menschenopfer zu verhindern. Zudem habe die Feuerwehr Löschflugzeuge eingesetzt, die das Feuer nicht gezielt bekämpfen könnten. Darum sei die Hälfte seines Waldes verbrannt.

Martin hält kurz inne, schaut durch die Baumkronen zum blauen Himmel hinauf. Eine Maschine der Feuerwehr auf dem Kontrollflug. Vermutlich brenne es im Moor in der Nähe noch immer.

Aber die Holzfäller arbeiten mit Hochdruck. Sie fällen die unversehrten Baumstämme und stapeln sie entlang der Strassen für den Abtransport. Ganz wertlos sei das Holz zwar nicht, sagt Martin: «Aber die Händler drücken schon jetzt die Preise.»

Er habe nach dem Brand das Holz einer intakten Parzelle verkauft – der Händler habe nachträglich einen Abschlag von 20 Prozent verlangt. Bei anderen Händlern sei der Preis nicht besser. Offenbar habe sich die Branche abgesprochen. Früher hätten abgemachte Preise noch gegolten. Heute könnten sich die Waldbesitzer kaum wehren.

Die guten Zeiten der Waldbesitzer im Südwesten Frankreichs sind ohnehin schon längst vorbei. Die Hochblüte erlebten sie zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und den 1930er-Jahren. Der Harz der Kiefern war ein gesuchter Rohstoff für die Chemieindustrie. Viele Waldbesitzer wurden damals reich. Doch dann ging das Geschäft bergab. Die Chemieindustrie ersetzte Harz als Rohstoff.

Verbranntes Waldstück in der Gironde
Legende: Nach dem letzten grossen Brand im Jahr 1989 seien während acht Monaten immer wieder Feuer ausgebrochen, erinnert sich Martin. Dies ist auch diesmal so. Im Nationalpark «Landes de Gascogne» sind die Wege abseits der Durchgangsstrassen darum für Passanten immer noch gesperrt. Keystone/EPA

Der 62-Jährige lebt von seiner Rente, rund 900 Euro im Monat. Den Ertrag aus dem Holzhandel investiert er in den Unterhalt des Waldes. Er will ihn wieder aufforsten – trotz allem.

Er werde die brandversehrten Parzellen vollständig abholzen und einen Teil davon mit Setzlingen neu bepflanzen lassen. Auf dem Rest würden die neuen Bäume angesät – weil sie besser Wurzeln schlagen als Neuanpflanzungen. Diese seien zwar fünf Jahre früher nutzbar, aber er ziehe die natürliche Aufzucht vor.

Das hat Martin bereits nach dem letzten grossen Waldbrand so gemacht. 1989 – vor 33 Jahren also. Der Wald, den er damals aufgeforstet hat, ist diesen Sommer zum Teil verbrannt.

Echo der Zeit, 31.10.2022, 18 Uhr

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