Zum Inhalt springen

Nachtleben von Pattaya Hobby-Ermittler jagen Pädophile in Thailand

Pattaya ist beliebt bei Sextouristen und Pädophilen. Nun sammeln Privat-Personen Beweismaterial.

Den Kopf gesenkt, die Hände zum Dankgebet aneinandergepresst, sitzen 40 Kinder vor ihrer Nudelsuppe. Supagon Noja, der Direktor dieses Kinderheims in Pattaya, hat sie alle vor Pädophilen gerettet. Jeden Monat verhafte die Polizei in Pattaya ein bis zwei Pädophile, sagt der Heimleiter. «Viele weitere bleiben ungestraft.» Kinder, die bei solchen Verhaftungen gefunden werden und keine Eltern haben, kommen ins Kinderheim.

Viele Pädophile bleiben ungestraft.
Autor: Supagon Noja Direktor eines Kinderheims

Früher waren die Opfer vor allem Obdachlose. Heute sind es auch Schüler und Kinder aus Kambodscha oder Laos. Ausländische Pädophile heiraten zudem zunehmend Thailänderinnen, die bereits ein Kind haben, um sich dann an ihm zu vergehen. Alle betroffenen Kinder haben etwas gemeinsam: Sie sind arm.

Lockvögel mit versteckten Kameras

Die Pädophilen zu identifizieren und zu verhaften, ist nicht einfach. Oft verdienen lokale Polizisten am Geschäft mit. Drei Schweizer sitzen zurzeit wegen Pädophilie in einem thailändischen Gefängnis, gegen weitere wird ermittelt – oft schon seit Jahren. Darum nimmt der Direktor des Kinderheims das Heft selbst in die Hand.

In seinem Büro instruiert er an diesem Nachmittag fünf Freiwillige, die als Lockvögel in die einschlägigen Bars gehen sollen. Mit versteckten Kameras sollen sie dort Fotos schiessen. Einer der Freiwilligen sagt, er hoffe, von Vermittlern angesprochen zu werden. «Die Kinder selbst sind wahrscheinlich nicht zu sehen, aber da sind dann Leute, die das vermitteln können.»

Mehrere Männer verhaftet

Diese Vermittler zu fotografieren, in der Hoffnung, dass sie später von missbrauchten Kindern identifiziert werden können, ist ihre Aufgabe. Mehrere Männer konnten laut Noja dank dieser Fotos in den letzten Monaten verhaftet werden. Der Heimleiter schickt die Ermittler an diesem Abend ins Rotlichtviertel.

Junge Frauen stehen vor Bars herum.
Legende: In dieser Nacht werden den Hobby-Ermittlern Prostituierte, aber keine Kinder angeboten. Keystone/Archiv

Das erste Ziel ist eine Schwulenbar. Dort erzählt ein pensionierter Schweizer den Ermittlern, die sich als Touristen ausgeben, wie er in jeder Bar seinen Barjungen habe. Ein paar alte Franzosen greifen nach ihrem Bier und nach dem jungen kambodschanischen Servierpersonal. 15 bis 25 Franken wollen die jungen Männer für Sex, weitere zwölf Franken müssen die Kunden an den ausländischen Barbesitzer bezahlen.

Schmiergelder für die Polizei

Der Barbesitzer erklärt, wie er über einen Anwalt die nötigen Schmiergelder an die richtigen Polizisten zahle, damit bei ihm niemand unnötige Fragen stelle – zum Beispiel nach den nicht vorhandenen Arbeitsbewilligungen seiner kambodschanischen Angestellten.

Prostituierte, aber keine Kinder seien ihnen in der Nacht angeboten worden, sagt einer der Hobby-Ermittler am nächsten Morgen. Er hat zwar Fotos gemacht, aber keine nützlichen Informationen sammeln können. Es sei nicht so offensichtlich zu- und hergegangen, wie er gedacht habe. «Man sitzt nicht fünf Minuten da, und dann wird einem das Angebot gemacht.» Aber das Stereotyp stimme: «Die sahen alle fett, alt, glatzköpfig und traurig aus.»

Kinder über Wochen anlocken

Pädophile würden die Kinder oft über Tage und Wochen mit Geld, Videospielen, einem Smartphone oder einem Schwimmkurs im privaten Pool anlocken, sagt Khemachart Prakyhongmanee, der stellvertretende Direktor einer Spezialeinheit der thailändischen Polizei, die sich mit besonders komplizierten Kriminalfällen beschäftigt. Aber sie in flagranti zu erwischen, sei schwierig.

Die Kinder sind oft nicht bereit, mit uns zusammenzuarbeiten, weil sie bezahlt werden.
Autor: Khemachart Prakyhongmanee Thailändischer Polizist

Die meisten Pädophilen kämen mit einem Touristenvisum oder einem für Pensionäre für zwei oder drei Monate nach Thailand. «Wenn wir das Beweismaterial gesammelt haben, sind sie meist schon wieder weg.» Zudem seien die Kinder oft nicht bereit, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, weil sie bezahlt würden.

Schweizer in der Heimat verurteilt

So war es auch im Fall des Schweizers Robert S., der jahrelang in Pattaya eine Bar betrieb. Zehn Jahre lang ermittelte die thailändische Polizei gegen ihn, doch dann sprach ihn ein thailändisches Gericht vor drei Jahren frei. Die Schweiz jedoch ermittelte weiter. Im vergangenen März wurde der 73-Jährige wegen sexuellen Missbrauchs von 80 Knaben von einem Schweizer Gericht zu 16 Jahren Haft verurteilt. Jetzt sitzt er in der Schweiz im Gefängnis.

Es ist ein Fall mit Signalwirkung. Ausländische Pädophile sollen sich auch im fernen Thailand nicht mehr sicher fühlen. Die Hobby-Ermittler in Pattaya hoffen, dass auch ihre Fotos dazu beitragen werden. Einer von ihnen sagt: «Es geht darum, dass man viele Puzzleteile sammelt und durch unsere Aktionen irgendwann ein Täter identifiziert oder überführt werden kann.»

Meistgelesene Artikel