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Nahost-Konflikt Darum ist für Israel eine Bodenoffensive so risikoreich

Israel rekrutiert weitere Soldaten: Droht eine Bodenoffensive im Gazastreifen? Ein Experte über die möglichen Risiken.

Nach fortwährenden Raketenangriffen militanter Palästinenser hat Israels Armee in der Nacht zum Freitag ihre Angriffe auf den Gazastreifen verschärft. Das israelische Fernsehen berichtete von massiven Angriffen der Luftwaffe sowie der Artillerie und Panzertruppen auf den Küstenstreifen.

Israel soll laut Medienberichten inzwischen 14'000 Reservisten für eine mögliche Bodeninvasion genehmigt haben. Was sind die Risiken einer möglichen Bodenoffensive in Gaza für Israel? Nahost-Kenner Riad Othman nennt mögliche Gründe für die bisherige Zurückhaltung Israels.

Riad Othman

Nahost-Kenner

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Riad Othman arbeitet als Nahostreferent für die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international. Zuvor war er vor Ort deren Büroleiter für Israel und Palästina.

Angst vor hohem Blutzoll: Das letzte Mal, als die israelische Armee 2014 mit grösseren Truppenverbänden nach Gaza vorgedrungen war, verlor sie 67 Soldaten. Auf palästinensischer Seite kamen laut der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen 2251 Menschen durch die militärischen Auseinandersetzungen ums Leben.

Gemessen an früheren Zielsetzungen ist es wahrscheinlich, dass die israelische Armee die Aufgabe hat, signifikante Teile der (para-) militärischen Kapazität im Gazastreifen bei der Hamas, aber auch anderen militanten Gruppen, zu zerstören. Im israelischen Militärjargon wird dies als periodisches «Rasenmähen» bezeichnet.

Dieser Auftrag – falls die Regierung sich dazu entschliesst, ihn dem Generalstab zu erteilen – lässt sich alleine durch Luftangriffe oder Beschuss von der See aus nicht bewerkstelligen. Um Tunnel oder andere verborgene Arsenale aufzuspüren und zu zerstören, wird die Armee Panzer und Infanterie einsetzen müssen. Und dabei wird es auch dieses Mal unter den israelischen Truppen zu Verlusten kommen.

Respekt vor innerstaatlichen Konflikten: Die Kämpfe waren 2014 von einem Anstieg antiarabischer Hasskriminalität in Israel begleitet. In der derzeitigen Situation kann es für die israelische Interimsregierung deshalb nicht nur darum gehen, das Sicherheitsrisiko für Angehörige der eigenen Armee und den möglichen politischen Preis für die eigene Herrschaft einzuschätzen, sondern die möglichen Auswirkungen auf die Gesamtsituation, auch innerhalb Israels.

Gefährliche Stärke der Hamas: Die Entscheidungen, die das nach den jüngsten Wahlen interimsmässig amtierende Kabinett Netanjahus wird treffen müssen, vollziehen sich weiter vor dem Hintergrund, dass die Kapazitäten der Hamas nicht geringer zu sein scheinen als 2014. Schon jetzt hat es in Israel acht Tote gegeben.

Das israelische Raketenabwehrsystem konnte die zahlreichen Geschosse aus Gaza vorübergehend nicht mehr vollständig abwehren. Ausserdem ist bei einer Bodenoffensive mit massiven Opferzahlen unter der palästinensischen Bevölkerung in der Küstenenklave zu rechnen. Schon jetzt hat es dort laut Zahlen des örtlichen Gesundheitsministeriums 119 Tote gegeben. Weiter ist es in Israel fast flächendeckend zu Gewalt gekommen.

Unklare Situation am internationalen Strafgerichtshof: Ein Faktor, der der israelischen Regierung – mehr als den bewaffneten Gruppen im Gazastreifen – zu denken geben sollte, ist die Entscheidung der Vorverfahrenskammer in Den Haag über die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs.

Noch-Chefanklägerin Fatou Bensouda hat damit den Auftrag, eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen durch militante Palästinensergruppen und den Staat Israel voranzutreiben. Allerdings endet ihre Amtszeit im Juni, und es ist unklar, ob ihr Nachfolger Karim Khan aus Grossbritannien den Fall energisch verfolgen oder sich lieber auf andere Fälle konzentrieren wird. Ausserdem haben sich einflussreiche Staaten, darunter Deutschland, in öffentlichen Einlassungen mehrfach schützend vor die israelische Regierung gestellt.

Tagesschau, 14.5.2021, 12:45 Uhr

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