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Entwicklung im Nahost-Konflikt Nimmt jetzt der Druck der USA auf Israel zu?

Donald Trump reist diese Woche in den Nahen Osten und die Hamas kündigt an, eine Geisel mit US-Staatsbürgerschaft freizulassen. Kommt Bewegung in den Konflikt? Der Nahost-Experte Peter Lintl ordnet ein.

Peter Lintl

Politikwissenschaftler

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Der Politikwissenschaftler Peter Lintl ist bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) spezialisiert auf Israel und den Nahost-Konflikt.

SRF: Wie bewerten Sie, dass die Terrororganisation Hamas diese Geisel freilässt?

Peter Lintl: Das ist überraschend. Es ist wohl ein Schritt auf die USA zu. Denn diese haben sich unter der aktuellen Regierung ein Stück weit bewegt. Noch vor gut zwei Monaten sprach Trump davon, dass der Gazastreifen geräumt werden müsse. Heute hört man andere Töne.

Es scheint eine Annäherung gegeben zu haben.

Trump spricht davon, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelassen werden soll und Ähnliches. Es scheint eine Annäherung der Hamas an die Positionen der USA gegeben zu haben. Das scheint die wahrscheinlichste Erklärung für diese Geiselfreilassung zu sein.

Israel war nicht Teil dieser Verhandlungen. Ist das ein Affront gegenüber Israel?

Ein Affront würde ich nicht sagen. Es ist aber sicher so, dass die USA verstärkt eine eigene Linie verfolgen. Nicht nur in Bezug auf Gaza, sondern auch in Bezug auf Iran, Saudi-Arabien oder die Huthi im Jemen. In den USA scheint eine neue Linie eingekehrt zu sein, die sich mehr auf die Ziele der USA selbst und weniger auf Israel bezieht. Auf israelische Positionen wird weniger Rücksicht genommen.

Heisst das, der Druck der USA auf Israel nimmt zu?

Der Druck nimmt leicht zu, was Gaza betrifft. Da haben wir in den letzten zwei Monaten sehr wenig Kritik an Israel gehört, trotz der katastrophalen humanitären Situation. Dies scheint sich zu ändern: Es gibt zum Beispiel die Idee einer semiprivaten NGO, die Hilfsgüter liefern und verteilen soll. Dieser Plan scheint aus den USA zu kommen.

Die USA und Israel sagen, dass sie den UNO-Organisationen, insbesondere der UNRWA, nicht trauen.

Seit zwei Monaten lässt Israel keine Hilfslieferungen ins Land. Diese NGO, die Sie ansprechen, wäre eine internationale Stiftung mit Sitz in Genf, die an den Hamas vorbei Hilfsgüter liefern würde, abgesichert durch private Firmen. Was steckt hinter dieser Idee?

Private wären für die Verteilung von Hilfsgütern zuständig. Es gäbe unterschiedliche Zonen, in denen diese Hilfsgüter verteilt würden. Dies würde alles an den UNO-Organisationen vorbei funktionieren. Und das wird auch am lautesten kritisiert: Es wäre unklar, welche Standards eingehalten werden und welche nicht. Umgekehrt sagen die USA und Israel, dass sie den UNO-Organisationen, insbesondere der UNRWA, nicht trauen. Sie werfen ihr vor, eng mit der Hamas verbunden zu sein.

Das Grundproblem bleibt: Noch immer fehlt ein Nachkriegsszenario für Gaza. Es gibt keine diplomatische Lösung. Momentan scheint es auf eine Besatzung durch Israel hinauszulaufen, mit einer internationalen NGO, die den USA und Israel nahesteht und Hilfsgüter verteilt.

Israels Premier Netanjahu sagte, es kämen entscheidende Tage auf die Region zu. Sehen Sie das auch so?

Die nächsten Tage sind sicher wichtig. Wir werden wissen, was Trump in Saudi-Arabien vorhat. Davon werden Weichenstellungen in der Region abhängen. Und wir könnten erfahren, wie es im Gazastreifen weitergehen wird, ob die israelische Offensive gestartet wird. Dazu kommen die laufenden Verhandlungen der USA mit Iran: Wird es ein neues Abkommen geben zur Verhinderung einer iranischen Atomwaffe oder kommt es doch zu einem Militärschlag? Ich würde also perspektivisch sagen: Es wird ein entscheidendes Jahr.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Tagesgespräch, 12.5.2025, 13 Uhr ; 

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