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Neue israelische Offensive Die Totengräber Palästinas

Die Eroberung und Besetzung des Gazastreifens ist das Ziel der jüngsten Mobilmachung in Israel: Das hat Netanjahu bestätigt. Zehntausende Soldaten in Reserve-Einheiten werden aufgeboten. «Etwas möchte ich klarstellen», sagte der Premier in einem Video auf X: «Es wird kein Rein und Raus geben.»

Die Soldaten sollen Gebiete im Gazastreifen erobern und halten. Selbst wenn die Hamas die sich noch in ihrer Hand befindlichen Geiseln freilassen würde. Die palästinensische Bevölkerung – über zwei Millionen Menschen – soll «zu ihrem Schutz» im Süden des Gazastreifens zusammengetrieben werden, damit die Streitkräfte freie Hand haben im Kampf gegen die Hamas.

Hohe Zölle auf ausländische Gelder

Private Sicherheitsfirmen, nicht internationale Hilfsorganisationen sollen die Vertriebenen ernähren. Von mehr ist nicht die Rede. Als Menschen mit Rechten und einer Zukunft gelten die Palästinenserinnen und Palästinenser für die Politiker, die diesen Plan entworfen haben, längst nicht mehr.

Zeitgleich mit Netanjahus Bestätigung der neuerlichen Grossoffensive im Gazastreifen debattierte die Knesset ein Gesetz, das Zölle von achtzig Prozent auf ausländische Gelder an NGOs vorsieht, die in Israel tätig sind. Damit würden besonders Menschenrechts­organisationen getroffen, denen die finanzielle Grundlage entzogen würde.

Ein Friedhof wird grösser

Netanjahu hat vor Monaten noch gesagt, der totale Sieg über die Hamas sei wichtiger als die Befreiung der Geiseln. Nun sagt er, die Grossoffensive gelte in erster Linie der Befreiung der Geiseln. Deren Familienangehörige glauben dem Premier nicht: Der Vater eines Sohnes, der sich noch im Gazastreifen in Geiselhaft befindet, hat die aufgebotenen Soldaten öffentlich dazu aufgerufen, sich nicht zum Dienst zu melden.

Und die Hamas weigert sich weiterhin, die verbliebenen 59 Geiseln, von denen wohl mindestens die Hälfte nicht mehr lebt, freizulassen. Die Hamas-Führer, die noch am Leben sind und von denen fast alle im Ausland leben, scheinen noch immer an einen Sieg zu glauben, obwohl der Gazastreifen längst zum Friedhof geworden ist, auf dem Menschen wie Zombies umherirren – wie es der Gaza-Schriftsteller Akram Surani ausdrückt. Er und ein grosser Teil der Gaza-Bevölkerung möchten nur noch weg von diesem Friedhof, der mit der neuerlichen Grossoffensive noch grösser werden wird.

Trumps Plan vor Augen

Netanjahu hat die Schaffung eines Büros angekündigt, das die «freiwillige» Auswanderung der Bevölkerung Gazas in Drittstaaten ermöglichen soll. Wenn der Gazastreifen erst mal Palästinenser-frei wäre, könnte dort der Plan von US-Präsident Trump von der Riviera am Mittelmeer umgesetzt werden: das jedenfalls glauben einige israelische Politiker.

Doch bis jetzt hat sich kein Drittstaat öffentlich bereit erklärt, Hunderttausende von Palästinenserinnen und Palästinenser aufzunehmen. Ein Staat, der dies täte, würde als Totengräber des palästinensischen Traums eines eigenen Staates gelten, als Totengräber Palästinas.

Dabei sind längst andere Totengräber am Werk: Die Hamas, die nicht einsieht, dass es mit ihr keine Zukunft für die palästinensische Bevölkerung geben kann. Radikale israelische Politiker, die unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung Israels zu Gewalt und Vertreibung aufrufen. Und die internationale Gemeinschaft, die zwar «besorgt» ist, über das Leiden der palästinensischen Bevölkerung, aber handlungsunfähig oder-willig ist.

Nur einer könnte die neuerliche Grossoffensive Israels stoppen: US-Präsident Trump.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

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