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Krieg im Nahen Osten Raketenangriffe auf Israel: «Zurück im Ausnahmezustand»

In Israel sind heute Morgen Raketen aus Iran eingeschlagen. Israelische Medien berichten von Explosionen und getroffenen Häusern in verschiedenen Teilen Israels. Es seien an mindestens zehn Orten Raketen eingeschlagen – etwa in Tel Aviv oder in Haifa im Norden des Landes. Dabei sind nach offiziellen Angaben mindestens 80 Menschen verletzt worden. Die Lage schätzt Gisela Dachs, freie Journalistin in Tel Aviv, wie folgt ein.

Gisela Dachs

Journalistin und Publizistin in Israel

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Die gebürtige Deutsche arbeitet als freie Journalistin und Publizistin. Sie ist zudem Kommunikationswissenschaftlerin und Professorin am DAAD Center for German Studies und dem European Forum an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Dachs hat an der Sorbonne in Paris Literatur und Philosophie studiert und an der Universität Tel Aviv zu Einwandereridentitäten und Nachrichtenkonsum promoviert. Seit 2024 leitet sie ein deutsch-israelisches Forschungsprojekt über transnationale Verhandlung von Medieninhalten. Dachs lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrer Familie in Israel.

SRF News: Wie sieht die aktuelle Lage in Israel im Moment aus?

Gisela Dachs: In Israel war die Rede von einer historischen Nacht – nach neun Tagen ohne Sirenen. Um 7:30 Uhr Ortszeit gab es den ersten Luftalarm. Da fanden schwere Einschläge hier in der Stadt Tel Aviv und in Haifa und Nes Ziona statt. Es waren bis zu 30 ballistische Raketen, die abgefeuert wurden, und die Explosionen haben diesmal einen sehr grossen Schaden angerichtet.

Es bleiben genug Abfeuerungsanlagen übrig, um weiterhin Raketen nach Israel zu schicken.

Das Land ist seit heute Morgen wieder zurück im Ausnahmezustand. Der Luftraum ist hermetisch abgeschlossen. Das heisst bis heute Nachmittag zumindest sollte es auch keine Rettungsflüge mehr wie in den letzten Tagen geben, bei denen Israelis ins Land und Ausländer ausser Land gebracht werden sollten. Jetzt liegt das öffentliche Leben still – ausser natürlich für die Hilfskräfte, die sich an den Anschlagsorten um die Verletzten und möglicherweise auch noch um Vermisste kümmern.

Der israelische Regierungs-Chef Benjamin Netanjahu sieht mit den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen eines seiner zentralen Versprechen im Krieg gegen den Iran eingelöst. Wie wird Netanjahu nun weiter vorgehen?

Das wird sehr viel davon abhängen, was der Iran jetzt macht und, was seine Milizen machen. Was macht die Hisbollah im Libanon? Was machen die Huthis im Jemen? Was passiert an den Grenzen Israels? Vor allem, was passiert, wenn der Iran weiterhin seine ballistischen Raketen auf Israel abfeuert?

Nach den jüngsten Angaben hätte Israel 55 Prozent der iranischen Raketen-Abfeuerungsanlagen zerstört. Es bleiben aber noch genug übrig, um weiterhin Raketen zu schicken. Man schätzt, dass der Iran noch 10'000 sehr starke Mittelstreckenraketen haben soll. Und damit könnte man, bei diesem Rhythmus, durchaus auch noch einen Monat weitermachen – in einer Art Abnutzungskrieg.

Ein Regime-Change, hiess es immer, war nicht das Ziel.

Die Frage wird sein, wie der Iran sich jetzt entscheidet, mit Israel zu reagieren – und mit den US-Amerikanern. Bisher hatte Netanjahu gesagt, dass das Ziel eindeutig ein Ende des iranischen Atomprogramms und des ballistischen Raketenprogramms wäre. Ein Regime-Change, hiess es immer, war nicht das Ziel. Aber niemand macht einen Hehl daraus, dass es durchaus ein erwünschter Nebeneffekt wäre. Ich denke, man ist in Israel aber weiterhin nicht bereit, das als klares Ziel zu erklären. Und da werden sicherlich auch die USA ein grosses Wort mitzureden haben.

Das Gespräch führte Yvonne Lambrigger.

SRF 4 News, 22.06.2025, 12:30 Uhr ; 

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