Die SP hat am Parteitag beschlossen, das Vorgehen Israels in Gaza als «Genozid» zu bezeichnen. Co-Präsident Cédric Wermuth verteidigt den umstrittenen Begriff und kritisiert die Haltung mehrerer Kantone, die sich weigern, verletzte Kinder aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen.
SRF News: Die SP spricht im Zusammenhang mit Gaza von einem Genozid. Warum?
Cédric Wermuth: Es geht darum, dass unsere Regierung und andere wegschauen und nicht intervenieren. Einer der zynischen Tricks ist, dass man nie genau benennt, was in Gaza passiert. Aber UNO-Gremien, israelische NGO und die Zivilgesellschaft kommen zum Schluss: Dort wird ein Genozid nach der Völkermord-Konvention begangen. Wenn man das benennt, würde das den Bundesrat nach Völkerrecht zwingen, entsprechende Sanktionen zu ergreifen.
Wir versuchen, als zweitstärkste Partei im Land Druck auf die Schweizer Regierung zu machen.
Der Internationale Gerichtshof hat noch nicht festgestellt, ob Israel einen Genozid begangen hat. Was nützt es der Sache, wenn eine Schweizer Partei davon spricht?
Nur weil etwas in einem Parteiprogramm steht, passiert noch nichts, das ist klar. Aber wir einigen uns auf eine Feststellung, um auf dieser Grundlage politisch aktiv zu werden. Wir versuchen, als zweitstärkste Partei im Land Druck auf die Schweizer Regierung zu machen, damit diese sich für die Einhaltung des Waffenstillstands einsetzt.
Kritiker werfen Ihnen Einseitigkeit vor. Warum eine Resolution zu Gaza, aber keine zu Sudan oder Syrien?
Diese Unterstellung ist falsch. Wir haben zum Beispiel bereits im Januar eine Resolution zum Sudan verabschiedet, was in den Medien kaum ein Thema war. Wir versuchen, uns auf allen Ebenen zu engagieren.
Die Rettung von Menschenleben ist die zentralste Aufgabe.
Der Kanton Zürich will keine verletzten Kinder aus Gaza aufnehmen, auch Bern und Aargau sind kritisch. Was sagen Sie dazu?
Ich finde das absolut empörend und bin sprachlos. Selbst wenn man in der Frage, wer in Gaza verantwortlich ist, zu einem anderen Schluss kommt als ich, müsste doch der Meinung sein, dass die Schweiz humanitär leisten soll, was sie kann. Es geht um verletzte Kinder, um einen minimalen Beitrag.
Die Kritiker sagen, die Hilfe sei ineffizient. Man solle besser mit dem Geld die Strukturen vor Ort unterstützen.
Das ist absolut zynisch. Genau jene Parteien, die das jetzt sagen, haben im Bundesparlament seit Jahren dafür gesorgt, dass das Budget für die internationale Zusammenarbeit gekürzt wird. Sie haben die Hilfe vor Ort aktiv verhindert. Die Rettung von Menschenleben ist die zentralste Aufgabe. Sobald wir anfangen zu sagen, das koste uns zu viel, haben wir eine ganz schwierige Situation.
Wir werden alle demokratischen Mittel ausschöpfen.
Was wird die SP konkret gegen den Widerstand der Kantone unternehmen?
Wir führen Gespräche und machen mit Petitionen Druck auf die Kantonsregierungen. In Zürich wurden bereits Zehntausende Unterschriften gesammelt. Wir werden alle demokratischen Mittel ausschöpfen.
Das Gespräch führte David Karasek.