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Umstrittenes Siedlungsprojekt Wird die Idee vom Palästinenserstaat jetzt begraben?

Im Westjordanland wird ein Siedlungsprojekt konkreter, das seit Jahren umstritten ist. Der Bau würde Ost-Jerusalem vom Westjordanland abtrennen und einen palästinensischen Staat verunmöglichen. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich hat die Pläne genehmigt. Niemand zweifle an einer Realisierung, sagt Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv.

Jan-Christoph Kitzler

Korrespondent der ARD

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Jan-Christoph Kitzler ist seit 2013 Korrespondent in Rom. Kitzler hat auch für andere Medien gearbeitet.

SRF News: Was würde diese Siedlung für die Menschen im Westjordanland bedeuten?

Jan-Christoph Kitzler: In diesem von Israel völkerrechtswidrig besetzten Gebiet leben rund 8000 Menschen, oft sind es Beduinen. Sie können sich dann wahrscheinlich entscheiden, ob sie das Gebiet verlassen oder – eingeschlossen von einer grossen Trennungsmauer – dort weiterleben wollen. Das Projekt hat geopolitische Folgen für das ganze Westjordanland. Die Mauer würde die Fortbewegung der palästinensischen Bevölkerung zwischen dem Norden und dem Süden auf vereinzelte Strassen mit noch mehr Checkpoints begrenzen. Schon jetzt kommt es an solchen Nadelöhren zu langen Wartezeiten und Staus. Israel treibt mit diesem Projekt seine grossen Infrastrukturprojekte im palästinensischen Westjordanland weiter voran.

Wird damit die Idee eines Palästinenserstaats begraben, wie dies Israels Finanzminister Smotrich ausdrückt?

Zumindest kommt er dem Ziel näher. Denn um einen Staat zu gründen, braucht es ein zusammenhängendes Staatsgebiet. Das würde es durch die neue Siedlung mit der Trennung von Norden und Süden nicht mehr geben. Da hat auch die Rhetorik in dieser zum Teil rechtsextremen Regierung geändert: Sprach man früher beim Westjordanland noch von «umstrittenen Gebieten», ist heute ganz klar von Annexion die Rede und von der Kontrolle durch Israel. Der für den Siedlungsbau zuständige Finanzminister lässt keinen Zweifel daran, dass das Westjordanland zu Israel gehört.

Das Projekt hat geopolitische Folgen für das ganze Westjordanland.

Welches Gewicht haben die Rechtsextremen mit ihrem Chefideologen Smotrich in der Regierung?

Mit dem Finanzministerium besetzt Smotrich eines der wichtigsten Ämter im Staat. Er vertritt zwar nur eine kleine Partei, die radikale Siedlerbewegung, und lebt selbst in einer Siedlung, er hat aber grosse Macht. Seine Partei treibt gemäss Beobachtern, zusammen mit einer anderen rechtsextremen Partei, Regierungschef Benjamin Netanjahu vor sich her. Dieser hat gerade ultraorthodoxe Koalitionspartner verloren und keine Mehrheit im Parlament. Dort heisst es zwar, man werde in einer Vertrauensfrage nicht gegen die Regierung stimmen, doch Netanjahu braucht auch seine rechtsextremen Koalitionspartner, um seine Macht zu erhalten. Deshalb lässt er sie gewähren, obwohl der internationale Druck gegen dieses Bauvorhaben gross ist.

Das Vorhaben ist auf Regierungsebene beschlossen. Wie sicher ist es, dass es definitiv kommt?

Nächste Woche findet eine noch eher technische Sitzung der Planungskommission statt. Es geht um 3400 Wohneinheiten und den Ausbau der Mauer. Es gibt gar keinen Zweifel, dass das Projekt nächste Woche offiziell beschlossen wird. Es gibt zwar jetzt noch viel internationalen Protest, und einige Länder wollen im September den palästinensischen Staat anerkennen. Doch solange das keinen politischen Preis hat, bleibt es symbolisch. Es dürfte diese israelische Regierung kaum beindrucken. Sie ist fest entschlossen, das Projekt schnell zu realisieren.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

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SRF 4 News aktuell, 15.08.2025, 07:20 Uhr ; 

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