Zum Inhalt springen
Audio
Mehrere Länder wollen Palästina als Staat anerkennen
Aus Rendez-vous vom 22.05.2024. Bild: IMAGO/Hasan Mrad
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 24 Sekunden.

Entscheid mehrerer EU-Staaten Das bedeutet die geplante Anerkennung von Palästina

Norwegen, Spanien und Irland haben angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen. Nun ruft Israel teils seine Botschafter aus diesen Ländern zurück. Der diplomatische Korrespondent Fredy Gsteiger über die vielfältigen Hintergründe.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Wie überraschend kommt die Palästina-Anerkennung durch Irland, Spanien und Norwegen?

Die Ankündigung kommt nicht wirklich überraschend. Während einer Debatte zur Vollmitgliedschaft Palästinas vor der UNO-Generalversammlung gab es kürzlich schon ein sehr deutliches Signal: 143 Länder, darunter auch viele europäische, stimmten dafür. Nur neun Staaten, darunter Israel und die USA, waren dagegen. 25 Staaten, etwa die Schweiz und Deutschland, haben sich enthalten. Es wurde deutlich, wie eng es politisch auf der Weltbühne für Israel wird. Die Mehrheitsverhältnisse sind also schon klar. Dennoch ist die jüngst angekündigte Anerkennung von Palästina als Staat bedeutsam.

Person stellt Schild mit Aufschrift 'State of Palestine' auf einem Tisch auf.
Legende: Bild einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York als über den Antrag auf Mitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen entschieden wurde. (18.04.2024) Keystone/EPA/SARAH YENESEL

Welche europäischen Staaten erkennen Palästina bereits als Staat an?

Bislang war zumindest in Europa die Anerkennung von Palästina als Staat bescheiden. Sie beschränkte sich hauptsächlich auf osteuropäische Länder, die Palästina noch zur Sowjetzeit anerkannt hatten. In Westeuropa sah dies bis auf wenige Ausnahmen wie Schweden anders aus. Hier schlagen Norwegen, Spanien und Irland nun eine Bresche. Weitere Staaten wie Malta und Slowenien dürften folgen.

Was sind Gründe für die Anerkennung?

Die Regierungen wollen den Druck für eine Zweistaatenlösung erhöhen. Dieser widersetzt sich Israel unter Benjamin Netanjahu seit vielen Jahren. Mit der Anerkennung Palästinas soll Israel nun wieder auf einen Kurs gebracht werden, den es früher gefahren ist. Die norwegische Stellungnahme hierzu lautete: Es gibt im Nahen Osten keinen Frieden ohne eine Zweistaatenlösung.

Das Ende des Oslo-Friedensprozesses und die grüne Linie

Box aufklappen Box zuklappen

In den 1990er Jahren, während des Oslo-Friedensprozesses, schien die grüne Linie als Grenze zwischen Israel und einem Palästinenserstaat noch möglich. Sie basierte auf dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 und stellte eine Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland, dem Gazastreifen, den Golanhöhen sowie der Sinai-Halbinsel dar. Die Verhandlungen scheiterten allerdings und es kam zu einem blutigen Palästinenseraufstand mit Terroranschlägen. Israel baute ums Westjordanland eine Sicherheitsbarriere. 85 Prozent davon befand sich hinter der grünen Linie, also auf palästinensischem Land. Gleichzeitig trieb Israel den Siedlungsbau massiv voran.

Heute leben mehr als 600'000 jüdische Siedlerinnen und Siedler hinter der grünen Linie. Für die UNO-Generalversammlung und den Internationalen Gerichtshof sind israelische Siedlungen hinter der grünen Linie illegal. Israel bestreitet das: Das Gebiet sei nicht besetzt, sondern umstritten.

Ist Israel der grosse Verlierer?

Israel ist empört und zieht teils seine Botschafter aus den Ländern ab. Der Aussenminister spricht davon, dass die angekündigte Palästina-Anerkennung den Palästinensern und der Welt zeige «Terrorismus zahlt sich aus». Klar ist: Im Moment gibt es im Gazakrieg zwei grosse Verlierer. Die palästinensische Bevölkerung in Gaza, die unermesslich leidet, und Israel. Insofern ist das tückische Kalkül der Hamas mit dem Terrorakt vom 7. Oktober vorigen Jahres aufgegangen. Es war der Hamas klar, dass Israel nach diesem Terrorakt militärisch reagieren musste, insbesondere unter der jetzigen Regierung von Netanyahu. Nun zeigt sich: Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr Länder gehen auf Distanz zu Israel. Die Frage ist, was mittel- und längerfristig passiert und ob Überlegungen in Richtung einer Zweistaatenlösung innerhalb von Israel wieder an Terrain gewinnen.

Wer könnte einen möglichen Staat Palästina regieren?

Sowohl die Hamas als auch die Fatah sind nicht überzeugende Ansprechpartner. Wichtig ist aber: Diplomatisch gesehen werden Staaten und nicht einzelne Regierungen anerkannt. Es bleibt aber tatsächlich die Frage, wer in Palästina im Moment regiert. Offizieller Ansprechpartner ist bislang die Fatah-Regierung von Präsident Mahmud Abbas in Ramallah im Westjordanland. Sie vertritt Palästina auch bei der UNO. Allerdings ist diese Regierung überhaupt nicht mehr demokratisch legitimiert. Sie ist in weiten Teilen der palästinensischen Bevölkerung gar verhasst. Sie ist korrupt und hat in einem Teil Palästinas, nämlich in Gaza, überhaupt nichts zu sagen.

Rendez-vous, 22.05.2024, 12:30 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel