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Neue Migrantenroute EU-Vertreter besprechen mit Libyen Massnahmen gegen Migration

Tausende Migranten kommen über die Route von Libyen aus übers Mittelmeer nach Kreta. Die EU möchte dies unterbinden.

In den vergangenen Wochen und Tagen sind hunderte Migrantinnen und Migranten im Süden Kretas angekommen. Zu ihrer Überfahrt waren sie in Libyen aufgebrochen.

Angesichts der starken Zunahme auf dieser Migrationsroute – seit Anfang Jahr sind über 7000 Menschen übers Meer an der Südküste Kretas angekommen (eine Zunahme um 350 Prozent im Vergleich mit 2024) – reagiert jetzt auch die EU.

Menschen vor Zelten auf einem Sportfeld mit Bäumen im Hintergrund.
Legende: Kreta ist nicht auf so viele Migranten vorbereitet. Deshalb werden viele von ihnen nun vorerst in Zeltlagern auf Fussballplätzen einquartiert. Reuters/Stefanos Rapanis

Eine Delegation aus EU-Vertretern hat Tripolis besucht und mit der dortigen libyschen Regierung einen Plan zur Bekämpfung der irregulären Einwanderung nach Libyen besprochen.

Libyen erhält Hilfe der EU

«Es wird eine umfangreiche nationale Kampagne mit Unterstützung mehrerer befreundeter Länder zur Bekämpfung des Menschenhandels durchgeführt», sagte der Chef der in Tripolis ansässigen Regierung der nationalen Einheit, Abdelhamid Dbeibah.

Dbeibah äusserte sich während eines Treffens mit dem für Migrationsfragen zuständigen EU-Kommissar Magnus Brunner. Anwesend waren auch die Innenminister Italiens und Maltas, Matteo Piantedosi und Byron Camilleri, sowie der griechische Migrationsminister Thanos Plevris.

Ein Land – zwei Regierungen

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Libyen ist ein gespaltenes Land mit zwei Regierungen: Eine sitzt in Tripolis im Westen des Landes, eine andere in Bengasi im Osten.

Und deshalb reiste die Delegation aus der EU nach den Gesprächen in Tripolis am Dienstag denn auch umgehend nach Bengasi. Der dortige starke Mann, General Haftar, weigerte sich aber, die Delegation zu empfangen. Sie musste Bengasi unverrichteter Dinge umgehend wieder per Flugzeug verlassen.

Nicht nur die politische Lage in Libyen ist schwierig für die Europäer – EU-Kommissar Brunner weiss natürlich um die Kritik, die vor allem von Menschenrechtsorganisationen kommt. Und so sagte er kürzlich, er wisse, dass man sich in Libyen mit zum Teil «zwielichtigen» Personen einlassen müsse.

Brunner stellt sich aber auf den Standpunkt, dass man in Europa eigentlich keine Wahl hat, als bei der irregulären Migration mit Libyen zusammenzuarbeiten. Wie nachhaltig das am Ende sein wird, wird man sehen.

Anhand einer Karte Libyens präsentierte das Innenministerium in Tripolis die Hauptachsen des Plans: Verstärkung der Sicherheitspräsenz und der Kontrollen in den Städten, auf See und an den Grenzen, Ausweisung eines Teils der Migranten sowie Regularisierung «derjenigen, die der libysche Arbeitsmarkt benötigt».

Innenminister Imad Trabelsi behauptete, in Libyen gebe es bis zu vier Millionen illegal eingereiste Migrantinnen und Migranten – bei einer Einwohnerzahl Libyens von rund sieben Millionen Menschen.

Von Chaos zerrüttetes Land

Seit dem Sturz des Regimes von Muammar Gaddafi im Jahr 2011 ist Libyen im Chaos versunken. Damit ist das nordafrikanische Land zu einem Drehkreuz für Zehntausende von Menschen geworden, die versuchen, unter Lebensgefahr über das Meer nach Europa zu gelangen.

Abkommen mit Tunesien erntet viel Kritik

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Zwei Personen unter blauem Schirm am felsigen Strand, Blick aufs Meer.
Legende: srf

Seitdem die EU vor zwei Jahren mit Tunesien ein Migrationsabkommen abgeschlossen hat, ist die Zahl der Migrantinnen und Migranten, die von dort übers Mittelmeer nach Norden aufbrechen, um 80 Prozent zurückgegangen. Was in der EU als Erfolg gefeiert wird, erntet Kritik von Menschenrechtsorganisationen und in der tunesischen Bevölkerung. Das zeigt die Reportage von Philipp Scholkmann aus dem «Echo der Zeit».

Viele von ihnen werden auf See von der libyschen Marine abgefangen und wieder nach Libyen zurückgebracht. Meist werden sie dann inhaftiert – unter Bedingungen, die von NGOs und der UNO angeprangert werden.

Amnesty International erklärte denn auch, die Zusammenarbeit der EU mit Libyen in Migrationsfragen sei «unmoralisch» und komme einer «Mittäterschaft bei schrecklichen Menschenrechts­verletzungen» gleich.

Amnesty verwies auf die «entsetzlichen Bedingungen», denen Migranten und Flüchtlinge in Libyen ausgesetzt sind, und forderte die EU auf, ihre Unterstützung «für libysche Behörden und Milizen dringend zu überdenken».

Echo der Zeit, 8.7.2025, 18:00 Uhr ; 

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