Die neue konservativ-grüne Regierung in Österreich trifft bei den Kommentatoren und vielen Bürgern auf viel Skepsis. Tatsächlich ist es eine europäische Premiere, dass eine konservative Partei mit einer grünen Partei auf nationaler Ebene regiert.
Es liegen Welten zwischen diesen beiden Parteien. Laut einer Analyse der Donau-Universität Krems haben die beiden Bündnispartner nur bei 20 Prozent aller Sachfragen gemeinsame Positionen. Das ist extrem wenig für eine Koalition. Zum Vergleich: Die bis im Mai 2019 regierende Koalition zwischen ÖVP und der rechtsnationalen FPÖ hatte 80 Prozent gemeinsame Positionen.
Tirol als Vorbild
In ganz Europa sitzen die Grünen in vier nationalen Regierungen (Luxemburg, Litauen, Schweden und Finnland). Aber überall regieren sie mit Sozialdemokraten oder liberalen Parteien. Reine schwarz-grüne Regierungen gibt es bisher nur auf Ebene der Bundesländer. In Tirol regiert schwarz-grün seit 2013, in Vorarlberg seit 2014. Und zwar so erfolgreich, dass die Koalitionen in beiden Bundesländern nach den Wahlen im letzten Jahr weiter regieren.
Auf nationaler Ebene dürfte das Regieren für das konservativ-grüne Kabinett schwieriger werden. Es ist klar, dass beide Regierungsparteien schmerzhafte Kompromisse machen müssen, wenn diese Koalition halten soll.
Aber wenn es gelingt, dann könnte diese Regierung als Model für andere Länder dienen – denn nach dem Einbruch der Sozialdemokratie in den meisten Ländern Europas, sieht man noch zwei dominierende politische Strömungen: Die Neokonservativen und die Grünen.
Zwischen Flüchtlingen und Klimapolitik
Die Konservativen fordern eine rigide Flüchtlingspolitik und tiefere Steuern. Die Grünen fordern eine neue Umwelt- und Klimapolitik. Ob das beides zu schaffen ist, müssen sie jetzt erst beweisen. Gelingt es ihnen, wäre das nicht nur eine politische Meisterleistung.
Es wäre ein starkes Zeichen für die vielgescholtene Kompromisspolitik in einem immer stärker polarisierten Europa.