In Frankreich hat der zurückgetretene Premier Sébastien Lecornu bis Mittwochabend eine letzte Chance, die Regierung zu retten. Präsident Emmanuel Macron hat ihm den Auftrag erteilt, mit den anderen Parteien einen Kompromiss zu finden.
Am Mittwochmorgen gab Lecornu in einer Erklärung vor Journalisten positive Signale. Es gebe eine Annäherung zwischen den Parteien hinsichtlich eines Budgets bis zum Jahresende. Die Aussicht auf eine «Auflösung des Parlaments rückt damit weit in die Ferne», sagte er.
Folgende Szenarien sind denkbar:
Szenario 1: Lecornu findet Kompromiss und macht weiter
Gelingt es Lecornu, bei seinen Gesprächen mit den Parteien einen gemeinsamen Nenner zur Stabilisierung des Landes sowie einen Ausweg aus der Krise zu finden, könnte Macron ihn bitten, einen Neustart als Premier zu wagen. Zwar hatte Lecornu laut Medien durchblicken lassen, er wolle nicht erneut als Premier antreten. Aber als enger Vertrauter des Präsidenten würde er Macrons Wunsch wohl nicht ablehnen. Ein Vorteil wäre, dass er als Architekt eines möglichen Kompromisses auf die Unterstützung der beteiligten Parteien bauen könnte.
Szenario 2: Nach Kompromiss ernennt Macron anderen Premier
Denkbar ist auch, dass Lecornu bei seinen Gesprächen zwar einen Ausweg aus der Krise findet, die Parteien aber auf einen Premier aus einem anderen Lager pochen. Dagegen hat Macron sich bislang zwar kategorisch gesperrt, dies könnte aber Teil einer Lösung der verfahrenen Situation sein. Die Sozialisten, Kommunisten und Grünen zumindest, die bei der vorgezogenen Parlamentswahl 2024 stark abschnitten, riefen Präsident Macron auf, einen Premierminister aus dem linken Lager zu ernennen.
Szenario 3: Macron löst Parlament auf und ruft Neuwahlen aus
Scheitert Lecornu, dürfte Macron kaum versuchen, einen weiteren Premier zu finden. Dies wäre dann der vierte Regierungschef seit dem Sommer 2024, der versuchen würde, Frankreich zu regieren. Erwartet wird, dass der Präsident in diesem Fall die Nationalversammlung auflöst und Neuwahlen ausruft.
Ein Datum für mögliche Neuwahlen scheint es bereits zu geben. Die Präfekten hätten bereits die inoffizielle Anweisung erhalten, sich darauf vorzubereiten, am 16. und 23. November Parlamentswahlen zu organisieren, berichtete das Enthüllungsblatt «Le Canard enchaîné».
Lecornu schlug den Parteispitzen nach eigenen Angaben vor, die Diskussionen auf den Haushaltsplan für das kommende Jahr zu konzentrieren. Angesichts der hohen Staatsverschuldung muss Frankreich dringend einen Sparhaushalt auf den Weg bringen.
Eine Einigung auf gemeinsame Eckpunkte könnte die Krise zumindest vorübergehend entschärfen. Bereits Ende 2024 war Premier Michel Barnier an Streitigkeiten über den Haushalt gescheitert, ebenso wie sein Nachfolger François Bayrou vor einem Monat.