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Regierungskrise in Frankreich Französische Politik hat Kindergartenniveau erreicht

Eigentlich sollte es ein guter Tag werden für den französischen Premierminister Sébastien Lecornu. Nach rund vier Wochen im Amt hat er am Sonntagabend endlich die Namen der neuen Minister bekanntgegeben. Ein Blick auf die Liste zeigt: Es bleibt fast alles beim Alten. Die Opposition ist unzufrieden, auch dies ist nichts Neues.

Nur zwei Stunden später kommt aber der Dolchstoss – nicht von Links oder Rechtsaussen – sondern ausgerechnet aus dem Machtzentrum der neuen Regierung: Der konservative Innenminister Bruno Retailleau verkündet via X seinen Unmut über die Zusammensetzung des Kabinetts und will mit seiner Partei Les Républicains über einen Rückzug aus der Regierung diskutieren.

Bevor die erst ernannte Regierung definitiv implodieren kann, reicht der abtretende Premierminister am Montagvormittag seinen Rücktritt ein. Und Frankreich steht bereits zum vierten Mal in etwas mehr als einem Jahr ohne Regierung da.

Stures Beharren auf eigenen Standpunkten

Die französische Politik ist damit definitiv auf Kindergartenniveau angekommen. Alle Akteure – von den Parteipräsidenten über die Abgeordneten bis hin zum Staatspräsidenten Emmanuel Macron haben in erster Linie ihr eigenes Wohlergehen im Sinn, statt die Suche nach einem Ausweg aus der politischen, aber auch finanziellen Krise.

Mehr denn je beharren die verschiedenen Parteien auf ihrem Standpunkt. Denn viele haben bereits die nächsten Präsidentschaftswahlen im Frühling 2027 im Visier und ihre eigenen Ambitionen. Dabei wären Kompromisse doch so dringend nötig, um wenigstens ein Budget zu verabschieden. Alle wissen um die finanzielle Schieflage, alle wissen, dass niemand allein regieren kann, trotzdem versinkt Frankreich mit jeder scheiternden Regierung tiefer in der politischen Krise.

Den ersten Schritt hin zu einer Kompromisskultur muss Emmanuel Macron machen. Der französische Staatspräsident hat mit der Auflösung des Parlaments im Juni 2024 zur chaotischen Situation beigetragen. Und obwohl er keine Ambitionen auf die Präsidentschaft 2027 hat, ist auch er bisher zu keinen Kompromissen bereit. Dreimal hat er versucht, sein Programm trotz der Wahlniederlage weiterzuführen. Dies ein viertes Mal zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten, wäre Dummheit.

Mirjam Mathis

Frankreich-Korrespondentin

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Mirjam Mathis ist seit 2022 SRF-Korrespondentin in Frankreich (Paris). Zuvor arbeitete sie als Korrespondentin in der Westschweiz.

SRF 4 News, 6.10.2025, 12 Uhr;liea

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