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Neuer Pontifex Erster US-Papst: Welche Rolle spielt die Herkunft von Leo XIV.?

Ein doppelter Amerikaner: Der neue Papst Leo XIV. ist in Chicago geboren und aufgewachsen. Die meiste Zeit seines Lebens hat er aber in Lateinamerika, in Peru, verbracht. Der Theologe Benjamin Dahlke ist ein Kenner der katholischen Kirche auf dem amerikanischen Kontinent. Er erklärt, wie der neue Pontifex durch seine Herkunft geprägt ist.

Benjamin Dahlke

Theologe

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Benjamin Dahlke ist Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und hat dort den Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte inne. Er studierte unter anderem in den USA am Princeton Theological Seminary und war ein Jahr als Fellow am Boston College tätig.

SRF News: Welche Rolle hat es bei der Wahl gespielt, dass Leo XIV. Amerikaner ist?

Benjamin Dahlke: Ich muss gestehen, ich habe nicht mit ihm gerechnet. Seine Wahl war nicht vorhersehbar. Es könnte natürlich sein, dass man aufgrund der aktuellen Weltlage den Eindruck hat, dass ein amerikanischer Papst und ein amerikanischer Präsident vielleicht gut zusammenarbeiten können, um den Frieden in der Welt zu fördern. Und Frieden war ja auch ein wichtiges Stichwort bei der Antrittsrede des neuen Papstes.

Es gibt erstaunliche Verbindungen zu der US-Politik.

Die US-Regierung sorgte im Vorfeld der Papstwahl für Aufsehen: Welche Rolle spielt die katholische Kirche in der US-Politik?

Inzwischen eine erstaunlich grosse. Es gibt seit Jahrzehnten eine allmähliche Annäherung eines grossen Teils der Katholiken an die Republikanische Partei. Traditionell haben sich Katholiken eher durch die Demokraten vertreten gefühlt, die als die Partei der Migranten galt und nicht der weissen angelsächsischen Protestanten. Da hat sich also etwas verschoben.

Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan (Anm. d. Red: den US-Präsident Trump als seinen Favoriten auf die Nachfolge von Papst Franziskus bezeichnete) hat bei beiden Amtseinführungen von Trump Einführungsgebete gesprochen. Zudem ist Vizepräsident J.D. Vance zum Katholizismus konvertiert. Da gibt es also erstaunliche Verbindungen. Trump selbst ist mit einer Katholikin aus Europa verheiratet.

US-Katholiken mit verschiedenen Hintergründen

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Rund 20 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung ist katholisch. Die katholische Kirche in den USA sei durch verschiedene Katholizismen geprägt, erklärt Benjamin Dahlke. Einwanderer aus Südamerika hätten ihre eigene Frömmigkeit und ihre eigenen Stile mitgebracht und Spanisch spiele als Sprache mittlerweile eine wichtige Rolle innerhalb der Pfarreien. Gleichzeitig gebe es immer noch die alten irisch-katholischen Gemeinden, die ihre eigene Prägung haben, und auch das Deutsche sei teilweise noch präsent, so Dahlke.

In den USA gibt es heftige Konflikte, auch zu Themen wie Abtreibung oder Transgender. Wie positioniert sich die katholische Kirche da?

Unter Johannes Paul II. gab es die Tendenz, Bischöfe zu ernennen, die sich sehr stark gegen Abtreibung positionierten. Sie sahen damit eigentlich auch die Demokratische Partei kritisch und hatten eine Nähe zu den Republikanern entwickelt. Das sind die sogenannten «culture wars», die seitdem das Land im Griff haben. Interessant wird jetzt die Personalpolitik des neuen Papstes sein, also welche Art von Bischöfen er ernennen wird. Das kann einen Einfluss auf die Politik haben, wenn er nämlich Bischöfe hat, die diese «culture wars» nicht mehr in dieser Schärfe weiterführen möchten.

Progressive gehen nach Südamerika

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Gläubige freuen sich vor der Kathedrale von Chiclayo in Peru.
Legende: Gläubige freuen sich vor der Kathedrale von Chiclayo in Peru, wo Leo XIV. einst als Bischof wirkte. EPA/MIKHAIL HUACAN

Papst Leo XIV. hat mehr Zeit seines Lebens in Peru als in den USA verbracht und besitzt die Staatsbürgerschaften beider Länder. Dies zeige, dass er offensichtlich in Südamerika bleiben wollte und nicht in die USA zurückzukehren oder nach Rom zu gehen beabsichtigte, glaubt Benjamin Dahlke. Leos Augustinerorden habe zudem eine starke Verbindung nach Südamerika, wo der Papst als Missionar arbeitete. In den USA gelte man eher als progressiver Geistlicher, wenn man eine Südamerikabindung habe. Themen wie die Unterschiede zwischen Arm und Reich oder die Herausforderungen für indigene Kulturen seien aus konservativer Sicht eher vernachlässigbar.

Papst Leo XIV. wirkte länger in Peru als in den USA. Inwiefern steht der neue Papst für die Verbindung zwischen Süd- und Nordamerika?

Es ist erstaunlich und sehr gut, dass der neue Papst in Form seiner Person Brücken baut. Er verbindet verschiedene Sprachen und Kulturen miteinander. Leo XIV. hat bei seiner Antrittsrede auf Italienisch, Spanisch und Latein gesprochen. Er hat also seine englische Muttersprache überhaupt nicht verwendet.

Trotzdem ist klar, dass er als US-Amerikaner die westliche Welt mit dem globalen Süden gut verbinden kann. Er war selber General der Augustiner und hat eine weltweite Perspektive durch seinen Orden. Er kann mit diesem weiten Blick sehen, wie unterschiedlich die Kirche auf der ganzen Welt ist, welche unterschiedlichen Herausforderungen da sind. Er kann aber mit seiner ruhigen, vermittelnden Art, so ist mein erster Eindruck, schauen, dass diese unterschiedlichen Welten zusammenkommen. Das ist ein wichtiges politisches Signal.

Das Gespräch führte Nina Gygax.

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SRF 4 News, 9.5.2025, 8:20 Uhr ; 

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