Dröhnende Bässe, buntes Feuerwerk, stroboskopische Blitze, die Atmosphäre in der grossen Eventhalle im Industriequartier von Birmingham ist eine Melange aus Rockkonzert und Erweckungsgottesdienst. 6000 Leute jubeln dem Mann auf der Bühne im taubenblauen Anzug und der kleinkarierten Krawatte zu, als wäre der Erlöser erschienen. Doch was Nigel Farage verkündet, ist keine tröstliche Botschaft.
«Unser Land steht am Abgrund. Ein gefährliches Gemisch aus Ärger und Hoffnungslosigkeit breitet sich aus.» Kurz gesagt: Grossbritannien stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Doch soweit lasse es Reform UK nicht kommen. Die Leute hätten genug. Es sei Zeit, das Land und die nationale Sicherheit zu schützen.
Wenn Reform UK bei den nächsten Wahlen an die Macht kommen sollte, werde Reform die kleinen Boote stoppen und damit die Bedrohung für britische Frauen und Mädchen, fährt Farage in seiner Rede fort. Wer künftig irregulär nach Grossbritannien komme, werde verhaftet, eingesperrt und ausgeschafft.
-
Bild 1 von 5. 6000 Leute haben es in die Halle geschafft und hören Nigel Farage gebannt zu. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 5. Im Zentrum ist immer der Union Jack. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 5. Die Farbe Hellblau ist am Parteitag allgegenwärtig, wie hier bei diesem Taxi in den Farben von Reform UK. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 5. Dieser Mann aus London hat grosse Hoffnungen in Nigel Farage und wie Grossbritannien unter ihm aussehen würde. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Jung und Alt ist nach Birmingham gekommen – und muss sich ab und an auch etwas erholen. Bildquelle: SRF.
Wie Farage dies genau bewerkstelligen will, lässt er offen. Dagegen verspricht er ein rigoroses Vorgehen gegen Ladendiebe, die Wiederherstellung der Redefreiheit, das Ende des «Geschwätzes» über den Klimawandel und eine Senkung der Steuern.
Die Bewunderung für den Zeremonienmeister am Parteitag ist gross. Wenigstens kümmere sich Farage um die normalen Britinnen und Briten, sagt eine Frau gegenüber SRF. Wenn sich die letzte Regierung nicht um die kleinen Leute gekümmert habe – und auch die jetzige Regierung dies nicht mache, suche man sich halt jemanden, der verspricht, dies zu tun, sagt ein junger Arbeiter aus London. Grossbritannien sei eine kleine Insel, meint eine andere Anhängerin Farages. Wenn niemand etwas gegen die Einwanderung tue, werde diese versinken.
Längst keine Amateurveranstaltung mehr
Der Mann, der dies verhindern will, kommt nicht nur hier in Birmingham gut an, sondern im ganzen Land. Innerhalb eines Jahres hat sich die Mitgliederzahl von Reform UK vervierfacht. Dieser Erfolg würde voran zeigen, wie unzufrieden die Britinnen und Briten mit dem Status Quo des Landes sein, schreiben Politologen. Und einige Kommentatoren sprechen bereits von einem britischen «Gilets-Jaunes-Moment», wie ihn Frankreich erlebt hat.
Der Parteitag in Birmingham mag wie eine Samstagabendshow der 80er-Jahre wirken, aber Reform UK ist längst keine Amateurveranstaltung mehr. Der Dompteur der Unzufriedenen hat den Nerv des politischen Zeitgeistes getroffen. Die Umfragen zeigen, dass seine Protestpartei mittlerweile weit mehr Wählerinnen und Wähler überzeugen kann, als die linke Labour Partei und die Konservativen Tories.