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Niger, Mali und Burkina Faso Die Ecowas verliert Mitglieder – mit internationalen Folgen

Gleich drei Staaten verlassen die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft. Was heisst das für die Region und Europa?

Wofür steht die Ecowas? Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft wurde 1975 gegründet und ist die älteste regionale Organisation des Kontinents. Ihre Vision ist eine friedliche, stabile Region ohne Grenzen. Zu Beginn ging es vor allem um die wirtschaftliche Integration der Vertragsstaaten. Im Laufe der Zeit weitete die Ecowas ihre Zusammenarbeit aus, etwa in den Bereichen Gesundheit und Migration. Seit Anfang der 90er-Jahre will die Ecowas auch demokratische Strukturen in den Mitgliedsstaaten fördern. Mit dem Austritt von Mali, Niger und Burkina Faso umfasst sie noch zwölf Mitgliedsstaaten.

So ist die Ecowas aufgebaut

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Im Zentrum dieser Organisation steht «die Autorität der Staats- und Regierungschefs». Sie kann unter anderem rechtlich bindende Entscheidungen verabschieden. Deren Vorsitzender (oder «Chairman») führt und koordiniert die Geschäfte der Ecowas. Weiter umfasst die Wirtschaftsgemeinschaft eine Kommission, ein Parlament, einen Gerichtshof, eine Bank für Investition und Entwicklung sowie eine Gesundheitsorganisation, die «West African Health Organisation» (WAHO).

Warum treten Niger, Mali und Burkina Faso aus? In den drei Ländern kam es in den letzten Jahren zu Militärputschen. Daraufhin wurde ihre Mitgliedschaft bei der Ecowas suspendiert. Laut Sahel-Experte Ulf Laessing sehen die drei Länder das westafrikanische Bündnis von Frankreich beeinflusst: «Sie werfen einigen Mitgliedern wie der Elfenbeinküste vor, im Auftrag Frankreichs Sanktionen umzusetzen, wie aktuell gegen Niger seit dem Putsch 2023.» Die SRF-Afrikakorrespondentin Anna Lemmenmeier nennt einen weiteren Grund für den Austritt: «In den Augen der drei Länder hat die Ecowas ihre Mitglieder im Kampf gegen den Terrorismus nicht genug unterstützt.» Aber der Grundkonflikt bleibe ein anderer. «Die Ecowas wollte die drei Militärregierungen zur Demokratie zurückbeordern. Die drei Putschistenführer waren dazu nicht bereit.»

Welche Folgen hat der Ausstieg der Länder für die Region? Der Bruch mit der Wirtschaftsgemeinschaft hat laut der Afrikakorrespondentin in erster Linie Auswirkungen auf die Personenfreizügigkeit, Importe, Exporte und Zölle. «Das sind enge wirtschaftliche Verbindungen, die nach fast 50 Jahren gekappt werden.» Es drohe aber auch mehr Instabilität und Autokratie. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Burkina Faso, Mali und Niger wieder zur Demokratie zurückkehren, nimmt mit deren Austritt ab.» Wenn die regionale Zusammenarbeit abnehme, komme das in erster Linie Islamisten und Kriminellen in der Region zugute.

älterer Mann mit Kopfbedeckung an Tisch, ein Mann in grünem Militäranzug beugt sich über ihn.
Legende: Der aktuelle Ecowas-Vorsitzende, Nigerias Präsident Bola Ahmed Tinubu, bei einem ausserordentlichen Treffen zum Putsch in Niger (10.08.2023). IMAGO / Focal Point Agency

Welche Folgen hat der Austritt für Europa? Die Ecowas sei ein wichtiger Ansprechpartner für die EU: «Mit dem Austritt aus der Ecowas ist nun der letzte Draht zu diesen Putschisten-Regierungen für Europa gekappt», sagt Anna Lemmenmeier. «Die drei Länder haben sich klar weggewendet. Die Franzosen wurden aus dem Land geworfen, die UNO-Mission auch.» Stattdessen hätten sie sich Russland zugewendet. Dabei sei Niger auch das Haupttransitland der Migration nach Europa, so Laessing. Nachdem die EU die Finanzhilfen und die Entwicklungszusammenarbeit für Niger eingestellt habe, habe die Militärregierung das Abkommen mit der EU aufgekündigt, das den Transit von Migranten durch das Land unter Strafe stellte. «Man hat sozusagen die Schleusen Richtung Libyen wieder geöffnet».

Steigender Einfluss von Russland und Iran

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Während die Ecowas für die ehemalige Kolonialmacht Frankreich stehe, würden die drei austretenden Länder ihre Zukunft im Bündnis mit Russland sehen, so Laessing. «Sie kriegen dort die Waffen, die sie im Kampf gegen Dschihadisten wollen: Helikopter, Drohnen, auch Söldner wie in Mali.» Nigers Premier traf sich auch mit dem iranischen Vizepräsidenten. «Iran soll den Sahelländern Drohnen angeboten haben.» Diese seien begehrt im Kampf gegen Dschihadisten.

Bedeutet der Mitgliederverlust das Ende der Ecowas? Das Ende der Ecowas als Wirtschaftsunion sei es nicht, so Anna Lemmenmeier. Jedoch sei das Ecowas-Demokratisierungsprojekt vorerst gescheitert. «Bis vor wenigen Jahren galt Westafrika noch als die Region in Afrika, wo Demokratie auf dem Vormarsch war. Und das hatte auch zu einem sehr grossen Teil mit der Ecowas zu tun.» Später aber habe die Ecowas oft weggeschaut bei undemokratischem Verhalten. «Die Demokratie in Westafrika ist nicht mehr gewährleistet und das hat auch mit dem Scheitern der Ecowas zu tun.»

Rendez-vous, 29.01.2024, 12:30 Uhr ; 

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