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Verfassungsschutzbericht Warum die Veröffentlichung für die AfD gefährlich werden könnte

Eine brisante Publikation bewegt Deutschland: Das Magazin «Cicero» hat das Gutachten des deutschen Verfassungsschutzes über die AfD veröffentlicht – obwohl es eigentlich als geheim eingestuft ist. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die AfD als rechtsextrem einzustufen sei. Weil eine Gerichtsentscheidung dazu noch aussteht, bezeichnet der Verfassungsschutz die Partei vorerst aber nicht mehr öffentlich so. Auslandredaktor Stefan Reinhart mit den wichtigsten Erkenntnissen aus dem über 1000-seitigen Bericht.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

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Welche Punkte fallen besonders auf?

Es gibt zum einen formale Aspekte: Man sieht zum Beispiel, dass für die Veröffentlichung jede Seite des Gutachtens einzeln abfotografiert wurde. Irgendjemand hat sich die Mühe gemacht, 1100 Fotos einzulesen. Zum anderen ist das Gutachten sehr gut strukturiert. Es wird sehr klar und nachvollziehbar dokumentiert, wie sich die AfD seit 2013 von einer Euro-kritischen hin zu einer immer extremeren Partei entwickelt hat. Es wird aufgelistet, wie die eigentlich eher liberalen Kräfte in der Partei, zuletzt Parteichef Jörg Meuthen, aus der Partei gedrängt wurden. Wie sich die extremeren Kräfte durchgesetzt haben, hin zur heutigen AfD. Dazu gibt es enorm viele Beispiele: Man hat tausende Facebook-Einträge, Einlassungen an Parteitagen, Posts auf den sozialen Medien durchforstet und indexiert.

Wo kommt der Verfassungsschutz ganz konkret zum Schluss, dass die AfD als gesichert rechtsextrem beurteilt werden muss?

Es gibt ein interessantes Kapitel: Dort geht es um «ethnisch-abstammungsmässige Aussagen und Positionen». Wir lesen da von der AfD-Bundestagsabgeordneten Christina Baum, die sich darüber auslässt, wer jetzt eigentlich Deutscher ist und wer nicht. Und sie schreibt: «Wir dürfen nicht zulassen, dass man zum deutschen Volk nicht mehr durch Abstammung gehört, sondern durch Übertreten der Landesgrenze und die Demokratie nicht mehr Herrschaft des Volkes, sondern Übereinstimmung mit rot-grünen Ideologien ist.» Das ist ein Grundnarrativ von rechten und rechtsextremen Kreisen, dass man eben nicht Deutscher werden kann, zum Beispiel mit einer Einbürgerung, sondern dass man Deutscher ist von Geburt. Das ist eine rassische Herleitung, die wir auch aus anderen Zeiten kennen. Und es ist ein Indiz dafür, dass die Partei als rechtsextrem eingestuft wird.

Wie wichtig kann die vollständige Veröffentlichung des Berichts sein?

Man sieht jetzt in einer extrem detaillierten Aufstellung, worauf sich der Verfassungsschutz in seinem Urteil bezieht. Für die Öffentlichkeit ist das sehr interessant. Für die AfD ist das allerdings gefährlich: Man sieht nun in einer grossen Fülle, was die Abgeordneten und Mitglieder der AfD in den sozialen Medien alles geschrieben haben. Die AfD kann diesen Bericht jetzt nicht mehr dämonisieren und ständig behaupten, dass dort sowieso nur die Unwahrheit drinstehe und alles manipuliert sei. Das Grundnarrativ der AfD, wonach der Staat einen Feldzug gegen die Partei führe, ist nun bedroht. Wenn man die Beweise des Verfassungsschutzes ausführlich lesen kann, fällt es der AfD schwer zu behaupten, dass alles nur gelogen ist.

SRF 4 News, 16.5.25, 8:20 Uhr ; 

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